Max Goldt

deutscher Schriftsteller und Musiker
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Max Goldt (geboren 1958 in Weende; eigentlich Matthias Ernst) ist ein deutscher Schriftsteller und Musiker.

Max Goldt (2009)

Leben

Goldts Eltern waren 1945 aus Schlesien geflohen. Aufgewachsen im Arbeitermilieu, legte Matthias als erster in seiner Familie das Abitur ab.[1] Danach zog er 1977 nach West-Berlin, wo er eine Fotografenausbildung begann. Er brach diese jedoch ab und wandte sich der Musik zu. Zeitweise arbeitete er als Fremdenführer, woraus der Text für Wissenswertes über Erlangen hervorging. 1981 gründete er mit Gerd Pasemann das teilweise der Neuen Deutschen Welle zugeordnete Duo Foyer des Arts, für das er textete und sang. Zuvor hatte Goldt mit Pasemann an einem Projekt namens Aroma Plus mit englischsprachigen Texten gearbeitet. Es folgten zahlreiche Schallplattenveröffentlichungen, diesmal auch solo, zum Beispiel 1984 Die majestätische Ruhe des Anorganischen.

 
Max Goldt während einer Lesung in Speyer (2016)

Mit Stephan Winkler produzierte er 1998 als Musik-Duo NUUK die LP/CD Nachts in schwarzer Seilbahn nach Waldpotsdam.

Heute ist er vorrangig als Schriftsteller bekannt. Nachdem er mit humorvollen Kolumnen in der unabhängigen Berliner Zeitschrift Ich und mein Staubsauger in kleinem Kreis Aufmerksamkeit erregt hatte, engagierte ihn das Satire-Magazin Titanic. Zwischen 1989 und 1998 veröffentlichte er in dem Magazin 108 Kolumnen unter den Titeln Aus Onkel Max’ Kulturtagebuch, Diese Kolumne hat vorübergehend keinen Namen, Manfred Meyer berichtet aus Stuttgart und Informationen für Erwachsene. Von 2005 bis 2009 schrieb Goldt eine titellose Kolumne für Titanic, 2011 erschienen unregelmäßig einige weitere. Die Texte erschienen auch gesammelt in Buchform.

2008 wurde Goldt auf Empfehlung von Daniel Kehlmann mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es, Goldt habe den deutschen Alltag „bis zur Kenntlichkeit entstellt“.[2] Bemerkenswert an dieser Formulierung ist, dass Goldt sie wie viele andere Phrasen („mit spitzer Feder“) 1990 persifliert hatte.[3]

Seit 1996 arbeitet Goldt mit dem Comiczeichner Stephan Katz unter dem Namen Katz und Goldt als Texter zusammen. Er tritt nur äußerst selten im deutschen Kulturfernsehen auf und nimmt nie an der Frankfurter Buchmesse teil. Am 27. Februar 2017 war er Gesprächsgast in der literarischen TV-Sendung Druckfrisch von Literaturkritiker Denis Scheck.

Goldt lebt in Berlin.

Positionen

Boulevardjournalismus

Im September 2000 kritisierte Goldt die Bild-Zeitung in seiner Titanic-Kolumne. Anlass war, dass Ernst August von Hannover eine Bild-Redakteurin wegen der respektlosen Berichterstattung über seine Person am Telefon beschimpft hatte. Ernst August war dabei fotografiert worden, wie er an den türkischen Pavillon auf der Expo 2000 uriniert hatte. Seine Aussagen wurden daraufhin in der Zeitung abgedruckt und fanden ein breites Echo. Goldt pflichtete Ernst August bei:

„Das, was Ernst August sagte, rief zwar stilistisch laut nach Lehrers Rotstift, es hatte aber eine beachtliche Energie. Vor allem sagte er inhaltlich Richtiges. Er sagte das, was jeder unverbogene Mensch einem Mitarbeiter dieses Blattes sagen sollte. Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem Redakteur dieses Blattes freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz grade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“[4]

Geschlechtergerechte Sprache

Die Verwendung des Partizips Präsens als Mittel zur genderneutralen Ausdrucksweise kritisierte Goldt aus stilistischer Perspektive:

„Menschen, die an einer Universität einem Studium nachgehen, heißen Studenten. Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Studiengänge, die als klassische Männerfächer gelten, z. B. an den Bergbau-Universitäten in Freiberg (Sachsen) und Clausthal-Zellerfeld. Wenn man in diesen Ausnahmefällen darauf hinweisen möchte, daß auch Frauen dort studieren, muß man Studenten und Studentinnen sagen. Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.“[5]

Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch kritisierte Goldts Position aus linguistischer Sicht: Ein nominalisiertes Partizip I müsse keineswegs jemanden bezeichnen, der die durch das Partizip ausgedrückte Tätigkeit im Moment des Sprechens ausführe.[6]

Werke

 
Von Max Goldt signierte Buchseite (2019)

Bücher

Comics (gemeinsam mit Stephan Katz)

Hörbücher

  • Die sonderbare Zwitter-CD (Lese-Live Eins). Fünfundvierzig 1993.
  • Die CD mit dem Kaffeeringecover (Lese-Live Zwei). Fünfundvierzig 1994.
  • Weihnachten im Bordell (Lese-Live Drei). Fünfundvierzig 1995.
  • Objekt mit Souvenircharakter (Lese-Live Vier). Fünfundvierzig 1996.
  • Schöne Greatest Lese Live Oldies – Komische Appläuse. Motor 1997.
  • Das kellerliterarische Riesenrad (mit Ditterich von Euler-Donnersperg). Fünfundvierzig, 1998.
  • Okay Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine. Hörbuch München 1999, ISBN 3-453-16783-X.
  • Die Aschenbechergymnastik. Raben Records/Heyne 2000.
  • Der Krapfen auf dem Sims. Heyne Hörbuch 2001, ISBN 3-453-19096-3.
  • Wenn man einen weißen Anzug anhat und anderes. HörbuchHamburg 2003, ISBN 3-89903-118-0.
  • Für Nächte am offenen Fenster. Luxusprosa aus den neunziger Jahren. HörbuchHamburg 2003, ISBN 3-89903-123-7.
  • Für Nächte am offenen Fenster. Zweite Folge – besser als die erste. HörbuchHamburg 2004, ISBN 3-89903-156-3.
  • Ein Leben auf der Flucht vor der Koralle. HörbuchHamburg 2005, ISBN 3-89903-186-5.
  • Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens. HörbuchHamburg 2005, ISBN 3-89903-187-3.
  • ’ne Nonne kauft ’ner Nutte ’nen Duden. Dreizehn Texte 1991–2005. HörbuchHamburg 2006, ISBN 3-89903-236-5.
  • QQ – Quiet Quality. HörbuchHamburg, 2007, ISBN 978-3-89903-409-7.
  • Nichts als Punk und Pils und Staatsverdruß. HörbuchHamburg 2008, ISBN 978-3-89903-490-5.
  • Nicht jede kalte Säge schafft es nach New York. HörbuchHamburg 2009, ISBN 978-3-89903-650-3.
  • Unsere traurige technische Zukunft. HörbuchHamburg 2010, ISBN 978-3-89903-698-5.
  • Penisg’schichterln aus dem Hotel Mama, 2 CD, HörbuchHamburg 2011, ISBN 978-3-89903-601-5.
  • Gattin aus Holzabfällen, Bildhörbuch auf DVD, HörbuchHamburg 2011, ISBN 978-3-89903-318-2.
  • Max Goldt für alle, die Max Goldt noch nicht kennen, HörbuchHamburg 2012, ISBN 978-3-89903-367-0.
  • Zweisprachig erzogene Bisexuelle mit Fahrrädern auf dem Autodach, HörbuchHamburg 2012, ISBN 978-3-89903-368-7.
  • Chloroformierte Vierzehnjährige im Tweed-Kostüm, HörbuchHamburg 2013, ISBN 978-3-89903-862-0.
  • Schade um die schöne Verschwendung!, HörbuchHamburg 2014, ISBN 978-3-89903-844-6.
  • Freundin in der Hose der Feindin, Feindin in der Küche des Freunds, HörbuchHamburg 2015, ISBN 978-3-95713-006-8.
  • Der Mann mit dem Mireille-Mathieu-Bart, HörbuchHamburg 2017, ISBN 978-3-95713-076-1.
  • Weltstars im Nadelwald, HörbuchHamburg 2018, ISBN 978-3-95713-143-0.
  • Die Toilette bleibt weiß, HörbuchHamburg 2020, ISBN 978-3-95713-202-4.

Weitere Platten

  • Schöner für „IHN“ Stärker für „SIE“. Kultuhr Kassette, Berlin 1982.
  • L’église des crocodiles. ARO 004, 1983.
  • Die majestätische Ruhe des Anorganischen (Musik und Dramolette). ARO 007, 1984.
  • Restaurants, Restaurants, Restaurants. Zweiundzwanzig hysterische Miniaturen. Team Records 1986.
  • Die Radiotrinkerin & Die legendäre letzte Zigarette (zwei Hörspiele (Dialoge mit fiktiven Figuren), zwei Texte und eine Coverversion von Verdammt, ich lieb’ dich). Fünfundvierzig 1990.
  • Nirgendwo Fichtenkreuzschnäbel, überall Fichtenkreuzschnäbel. Fünfundvierzig 1993.
  • Musik wird niemals langsam (mit Michael Dubach und Nino Sandow). Fünfundvierzig 1994.
  • Ende Juli, Anfang August (streng limitiertes Schlauchalbum mit Heimaufnahmen 1982–1989), LP. Hidden Records 1994.
  • Alte Pilze (Historische Heimaufnahmen 1981–1992 Volume II), LP. Hidden Records 1996.
  • Legasthenie im Abendwind (Historische Heimaufnahmen 1981–1995 Volume III), LP. Hidden Records 1997.
  • Nuuk (Stephan Winkler und Max Goldt): Nachts in schwarzer Seilbahn nach Waldpotsdam. Traumton (CD) bzw. Hidden Records (Vinyl) 1998.
  • Bundesratufer. Instrumentals. Captain Trip Records 1999.
  • There Are Grapefruit Hearts to Be Squeezed in the Dark. Musiksachen von Kassetten 1981–1983. Gagarin Records 2007.
  • Draußen die herrliche Sonne. Musik 1980-2000. Foyer des Arts, Nuuk, Solo, Diverses. 6-CD-Kompilation. Tapete Records 2019.

Musikclips

Über Max Goldt

  • Moritz Baßler: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47614-7.
  • Gerald Fricke: Schreiben gegen das Ozonloch. Max Goldt – zweiter Versuch. In: Griffel 2 (1995), S. 48–50.
  • Iannis Goerlandt: Ausländer – wo? Das Bild vom anderen Land im narrativen Verfahren Max Goldts. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft 35.1 (2004): S. 75–87.
  • Daniel Kehlmann: Über den witzigsten Schriftsteller deutscher Sprache. Er ist klug und klar, ein unaufdringlicher Moralist mit frei flottierender Aufmerksamkeit: Lobrede auf Max Goldt. In: Süddeutsche Zeitung, 26. November 2008, Nr. 275, S. 14.
  • Ursula März: Tach, ich schau mal hin. Latent anarchisch: Kolumnismus als Stil, Gattung und Denkart. In: Frankfurter Rundschau, 28. Mai 2004, Nr. 123, S. 17.
  • Mathias Mertens: Unterreflektiert und überformuliert. Die Sprachrundfahrten des Max Goldt. In: Heinz Ludwig Arnold/Jörgen Schäfer (Hrsg.): Popliteratur. Sonderband Text+Kritik. Edition Text+Kritik, München 2003, ISBN 3-88377-735-8.
  • Nico Rau: Komik in Max Goldts Prosa: eine komiktheoretische Einordnung. VDM Verlag Dr. Müller, 2010, ISBN 978-3-639-28044-9.
  • Thomas Ringmayr: Hochkomische Höchstleistungen. Neue Prosa-Sammlungen von Eckhard Henscheid und Max Goldt. in: Focus on Literatur 1 (1994), S. 44–51.
  • Michael Rutschky: Für Fortgeschrittene. Max Goldt als Gewährsmann. In: die tageszeitung, 9. Oktober 1991, Nr. 3529, S. 35 (Literataz).
  • ders.: Das Interesse am Alltag. Anläßlich von Rolf Schwendters ›Kultur- und Sittengeschichte‹, in: Der Alltag 75 (März 1997), S. 177–190.
  • Frank Schäfer: Abprotzen. Versuch über Max Goldt. In: Griffel 2 (1995), S. 44–47.
  • Erhard Schütz: Journailliteraten. Autoren zwischen Journalismus und Belletristik. In: Baustelle Gegenwartsliteratur. Die neunziger Jahre. Hrsg. von A. Erb, Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 97–106, ISBN 3-531-12894-9.
  • ders.: Tucholskys Erben oder Wiener Wiederkehr? Versuch einer Terrainerkundung zur Literatur von Leben & Stil: Biller, Droste, Goldt und andere. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik, 1 (1995), S. 101–122.
  • ders.: Kindercowboy und Unscheinbarkeitsdandy. Maxim Biller, Wiglaf Droste, Max Goldt oder: Die Literatur der Kolumnisten. In: Frankfurter Rundschau, 29. Oktober 1994, Nr. 252, S. ZB 2.
  • Georg Stanitzek: Essay – BRD, Vorwerk 8, Berlin 2011, S. 150–153.
  • Walter van Rossum: Max Goldt: Von den Wonnen der Umnachtung in geschlechtsverkehrsfreier Zone. In: Rowohlt Revue. Neue Bücher und Taschenbücher 79 (Frühjahr 2005), S. 24.

Auszeichnungen

Wikiquote: Max Goldt – Zitate

Einzelnachweise

  1. Max Goldt - Munzinger Biographie. Abgerufen am 12. Januar 2020.
  2. Kleist-Preis geht an Max Goldt sueddeutsche.de vom 7. April 2008.
  3. Max Goldt: Edith Hancke findet den Theaterclub mehr als okay-hey für sich (Dezember 1990), in: Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau. Rowohlt, Reinbek 2005, S. 151ff.
  4. Max Goldt: Mein Nachbar und der Zynismus (2000). In: Der Krapfen auf dem Sims. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 14.
  5. Max Goldt: Wenn man einen weißen Anzug anhat. Rowohlt, Reinbek 2002, S. 56.
  6. Anatol Stefanowitsch: Danebenliegende Sprachnörgelnde. 2010, abgerufen am 15. September 2019.
  7. Zeit:Literatur Titanic-Autor Max Goldt erhält Kleist-Preis 2008
  8. Mitteilung der Stadt Pirmasens: Hugo-Ball-Preis 2008 an Max Goldt