Bhagavad Gita

zentrale Schrift des Hinduismus
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Die Bhagavad Gita (Sanskrit, f., भगवद्गीता, gītā – Lied, Gedicht, bhagavan – der Erhabene, Gott; „der Gesang des Erhabenen“), verkürzt auch nur Gita, ist eine der zentralen Schriften des Hinduismus. Sie hat die Form eines spirituellen Gedichts. Der vermutlich zwischen dem 5. und dem 2. Jahrhundert v. Chr. entstandene Text ist eine Zusammenführung mehrerer verschiedener Denkschulen des damaligen Indien auf Grundlage der älteren Veden (Frühvedische Schriften ca. 1200 v. Chr. bis 900 v. Chr.), der Upanishaden (Spätvedische Schriften ca. 700 v. Chr. bis 500 v. Chr.), des orthodoxen Brahmanismus (ca. 800 v. Chr. bis 500 v. Chr.), des Yoga u. a. m., steht aber den Upanishaden gedanklich am nächsten.[1]

Krishna erteilt Arjuna eine philosophische Unterweisung (upadesha) in einem Streitwagen (ratha) auf dem mythologischen Schlachtfeld von Kurukshetra. Zementgussplastik in Tirumala

Die Bhagavad Gita ist ein Teil des Mahabharata (Sanskrit, महाभारत, Mahābhārata [mʌhaːˈbʱaːrʌtʌ] „die große Geschichte der Bharatas“ im Sinne des Epos vom Kampf der Bhāratas), der Schrift über die Familie Bharata (Sanskrit भारत bhārata [ˈbʱɑːɻət̪ə]) und deren Nachkommen (Schlacht zu Kurukshetra). Der Seher Saṃjaya schildert in dem Gesamtepos dem blinden König Dhritarashtra (Sanskrit धृतराष्ट्र, dhṛtarāṣṭra) den Kampf der beiden Bhāratafamilien den („guten“) Pandavas und den („bösen“) Kauravas um die Macht.

In der Bhagavad Gita bildet sich ein Zwiegespräch zwischen Krishna, einer irdischen Erscheinungsform von Vishnu, dem Lehrer, und Arjuna, dem Schüler, ab.[2] Vishnu avancierte in der Zeit der Niederschrift des Werkes neben Shiva zu einem der Hauptgötter des Hinduismus. Krishna, der Protagonist der Bhagavad Gita, gilt als Avatara (Sanskrit अवतार avatāra, „Inkarnation, Herabkommen, Manifestation Gottes“), als Inkarnation des Gottes Vishnu auf Erden. In der Rahmenhandlung der Bhagavad Gita legt Krishna als Manifestation des Göttlichen dem jungen Krieger und Prinzen Arjuna auf dem Schlachtfeld die Grundgedanken über das Leben dar. Hierbei zeigt er ihm sein göttliches Wesen und unterweist ihn in Verhaltensregeln zum Erkennen des Göttlichen.

Hindus betrachten die Lehren der Bhagavad-Gita traditionell als Quintessenz der Veden.[3] Beim Studium ergeben sich oft scheinbare Widersprüche: Während einige Stellen anscheinend einen Dualismus lehren – die Zweiheit von Natur und Geist, von Gott und Mensch –, lehren andere die Einheit. Durch diese unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten ist das Gedicht Mittelpunkt für die verschiedensten Glaubensrichtungen.

Die Bhagavad Gita wurde als religiös-philosophisches Lehrgedicht in 18 Kapiteln mit 700 Versen niedergeschrieben und um das 2. Jahrhundert n. Chr. in das Nationalepos Mahabarata eingebunden. Das typische Versmaß ist das Shloka-Versmaß, das rezitiert oder besser gesungen werden kann, daher Gita. Sie zählt zu den Smriti (Sanskrit, f., स्मृति, smṛti, „was erinnert wird“), das sind die Epen (Dichtung) Itihasa (Sanskrit: इतिहास itihāsa m.; wörtl.: „so (Iti) wahrlich (ha) ist es gewesen (āsa)“), zu denen neben der Mahabharata auch noch das Ramayana gerechnet wird.

Formale Aspekte

 
Vier Manuskripte der Bhagavad Gita aus dem 19. Jahrhundert

Die Gita, wie sie in Indien verkürzt genannt wird, besteht aus 700 Strophen, die auf 18 Gesänge bzw. Kapitel verteilt sind. Sie ist Teil des etwa 100.000 Strophen umfassenden Epos Mahabharata und umfasst die Gesänge 25 bis 42 des 6. Buches.

Der größte Teil des Werkes besteht aus zwei Verszeilen, die aufeinanderbezogen sind. Jede Verszeile setzt sich aus zwei achtsilbigen Reihen zusammen. Beispiel (1. Gesang, Vers 47):

evam uktvārjunaḥ saṅkhye   (acht Silben)
rathopastha upāviśat,   (acht Silben)
visṛjya sa śaraṁ cāpaṁ,   (acht Silben)
śokasaṁvignamānasaḥ.   (acht Silben)

Und Arjuna sank leiderfüllt
Auf seines Wagens Sitz zurück,
Der Bogen glitt ihm aus der Hand,
Und Gram umflorte seinen Blick.

In einigen Strophen wird von diesem Metrum ohne erkennbaren Grund abgewichen.

Krishna, der Lehrer

Es handelt sich um eine Selbstoffenbarung Krishnas, der sich vor Beginn eines großen Krieges, welchen das Mahabharata ausführlich beschreibt, auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra dem Fürsten Arjuna als göttliches oder kosmisches Selbst zu erkennen gibt.

Entsprechend der hinduistischen Mythologie leben wir jetzt im Kali-Yuga, dem „dunklen, schwarzen Zeitalter“, das nach Krishnas Tod begann (3102 v. Chr.). Es gibt eine weitere Überlieferung, nach der wir schon im nächsten Zeitalter, dem Dvapara-Yuga, sind. Von Krishna heißt es, er sei gekommen, um den Menschen jene ethischen und philosophischen Unterweisungen zu geben, die für die Zeit dieses Yuga notwendig seien. In Kapitel IV, 7–8 verspricht Krishna, immer wieder zu inkarnieren:

„O Sohn des Bharata, so oft ein Niedergang des Dharma (Rechtschaffenheit, Tugend) und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma.“

Krishna kommt in der Bhagavadgita, je nach Kontext, unterschiedliche Bedeutung zu: Einmal wird er als das kosmische Selbst angesehen, das alles Lebende durchdringt; ein anderer Aspekt ist die Bedeutung als innere Göttlichkeit, die eine Reflexion des kosmischen Selbstes in jedem Lebewesen ist. Eine dritte Funktion ist die des spirituellen Lehrers.

Hintergrund

Die Bhagavada Gita fußt auf den Grundlagen der älteren Veden, so den Frühvedische Schriften, dem orthodoxen Brahmanismus, Schriften des Yogas aber insbesondere den Upanishaden, als Spätvedische Schriften, letztere beschäftigten sich mit der Essenz der vier Veden und bildeten so die Grundlage des Vedanta. Ursprünglich entwickelten sich zu den einzelnen Veden entsprechende Schulen, sodass verschiedene Vedaschulen (Shakhas, Sanskrit शाखा śākhā) existierten. Aus einer dieser Schulen bzw. Lehrmeinungen stammten die Upanishaden. In ihnen werden die Begriffe Brahman und Atman weiter ausgeformt. Alles Existierende ist gegenüber dem Absoluten eine Täuschung, eine Illusion (Maya). Maya des verblendeten Egos, das die Realität als nur psychisch und mental versteht und das wahre Selbst, das Atman, das eins mit Brahman ist, nicht erkennt. Um Moksha (Erlösung) zu erreichen, muss der Zustand der Maya überwunden werden.

 
Das Maurya-Reich mit seinem historischen Ausgangspunkt in Magadha während seiner Expansion zwischen 600 und 180 v. Chr.

In den Upanishaden wird das wahre Selbst des Menschen, das Atman, identisch mit dem Absoluten, dem eigentlich Wirklichem, dem Unbenennbaren (Brahman) gesehen. Brahman ist ein apersonales Konzept des Göttlichen, das keinen Schöpfer und keinen Demiurg beinhaltet, es wird als Urgrund des Seins vorgestellt, ohne Anfang und ohne Ende. Brahman ist nicht definierbar in Raum und Zeit. Das Selbst der Upanishaden ist aber nicht das Ego, das Ich des alltäglichen Bewusstseins.[4] So wird in den Kapiteln 1–6 der Bhagavad Gita das Handeln zum Thema haben (Karma Yoga Sanskrit: कर्मयोग karmayoga m.), das wiederum im Wissen um die Wirklichkeit des Atman gründet, damit der Adept in der Verwirklichung des wahren Selbst voranschreiten kann. In der Bhagavadgita beschrieb Krishna dem Helden Arjuna das Brahman wie folgt:

„Von Sinnesbanden unbeschränkt, erglänzt es wie durch Sinneskraft. Es trägt das All, und unberührt genießt es jede ‚Eigenschaft‘. Ist in und außerhalb der Welt, fest und beweglich, Ardschuna, so fein, dass niemand es gewahrt. Es ist zugleich entfernt und nah. Zerteilt durchdringt die Wesen es und bleibt in Wahrheit ungeteilt. Erhält ihr Sein durch seine Kraft, schafft und zerstört sie unverweilt. Das ‚Licht der Lichter‘ heißt man es, das jenseits alles Dunkels thront, Erkennen und Erkenntnisziel; in jedes Wesens Herz es wohnt.“

Bhagavad-Gita (13.14-17)

Krishna unterscheidet zwischen Wirklichem und Nichtwirklichem. Das Wirkliche ist Atman, das Sein selbst, das Gewahrsein, reines Bewusstsein, das unerkennbar, unmanifestiert und unzerstörbar ist. Das Nichtwirkliche ist die gewöhnlich wahrgenommene Welt. Als Identifikation mit dem Körper, die durch das Ego hervorgerufen wird entsteht die Täuschung (Maya), dass die Welt wirklich ist. In allen Wesen, in allem Seienden ist Atman enthalten und damit ist alles göttlich. Atman ist in allem, aber es ist kein Teil von ihm. Die Schwierigkeit besteht in der Unterscheidung zwischen der Welt, dem Nichtwirklichen und dem Göttlichen, dem Wirklichen. Durch die Weisheit der Unterscheidung von Wirklichem und Nichtwirklichem erlangt man Glückseligkeit.

Die Lehren der Bhagavad-Gita sind eingebettet in einen umfangreichen episch-dramatischen Kontext, in das Epos Mahabharata. Die Söhne des Fürsten Pandu werden von ihrem Onkel Dhritarashtra aus dem Stamm der Kurus und von dessen Söhnen um ihren rechtmäßigen Thronanspruch betrogen und immer wieder Verfolgungen ausgesetzt. Schließlich kommt es auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra, der „Stätte der Kurus“, zu einer großen Schlacht. Arjuna, der dritte der Söhne des Pandu, befindet sich in einem persönlichen Konflikt zwischen der Zuneigung zu seinen Verwandten auf der Gegenseite und seiner Pflicht als Fürst und dem rechtmäßigen Anspruch seiner Familie auf Land und Thron. Er ist „von Furcht überwältigt“ und weigert sich zu kämpfen. Auf seinem Streitwagen (sanskrit: Ratha) befindet sich Krishna als Wagenlenker. Dieser versucht Arjuna durch religiös-philosophische Unterweisung aus seinem Zwiespalt zu befreien und zum Kampf zu bewegen.

Mag es auch einen historischen Hintergrund für diese Schlacht geben, der Text der Bhagavadgita ist nicht als geschichtlich zu betrachten. Viele Hindus sehen ihn als Allegorie. Eine mögliche und weit verbreitete Sichtweise ist, dass es sich um ein Zwiegespräch handelt zwischen der inneren Göttlichkeit, verkörpert durch Krishna, und der menschlichen Seele, die Arjuna darstellt: das Schlachtfeld sei das Leben, und die feindlichen Heerscharen, gegen die Arjuna antreten muss, verkörperten die menschlichen Schwächen, die besiegt und überwunden werden müssten. Neben dieser sich auf das Individuum beziehenden Deutung ist es möglich, der Bhagavadgita eine Deutung zu geben, die sich auf die Menschheit als Ganzes bezieht. In dieser evolutionären Anschauung ist die Schlacht ein Aufeinandertreffen der asurischen, egoistischen Kräfte mit denen der göttlichen Ordnung. Arjuna und seine Mitstreiter werden in diesem Bemühen von Krishna, dem Avatar, angeführt und unterstützt.

Das Bild der Kutsche mit Krishna als Wagenlenker und dem verzweifelten Arjuna ist ein bekanntes und weit verbreitetes Motiv darstellender Kunst und als Wandschmuck in vielen Hindu-Haushalten zu finden. Eine populäre Deutung dieses geistigen Bildes enthält die Katha-Upanishade (II.3–4):

„Erkenne den Atman als den Herrn der Kutsche. Der Körper ist der Wagen, die Buddhi (Vernunft) der Wagenlenker und das Denken die Zügel. Die Sinne sind die Pferde, die Objekte die Wege.“

Spirituelle Tradition

Die Gita fußt auf einer spirituellen Tradition, die sich von den ältesten indischen Verssammlungen, dem Rig-Veda bis hin zu den Upanishaden, erstreckt. Sie akzeptiert dabei im Grundsatz die spirituellen Überlieferungen; kritisiert aber auch bestimmte Vorstellungen, und geht in ihren höchsten spirituellen Inspirationen über das vergangene Wissen hinaus. Insbesondere gibt sie Bhakti-Yoga und Karma Yoga eine neue, bisher ungenannte Wertschätzung.

Im zweiten Gesang der Gita wird eine Geisteshaltung kritisiert, die sich durch rituelle Opfer an die Götter ein besseres Leben im Jetzt und im späteren Jenseits erwerben will. Es heißt:


Und töricht sich dem Blumenwort
Der heil’gen Veden anvertraut,
Wer voll von Wahn Genuss erstrebt
Und himmliche Glückseligkeit,
Gelangt niemals, o Prithas Sohn,
Zur Ruhe und Beständigkeit.[5]

Stattdessen pocht sie auf die Wahrheit, die in eigener Selbsterkenntnis gewonnen wird.

Den Nutzen, den ein Brunnen hat,
Wenn rings ist überschwemmt das Land,
Nur solchen Nutzen hat die Schrift
Für den, der höchste Weisheit fand.[6]

Formulierungen aus den Upanishaden, die ihrerseits ebenfalls die älteren Schichten der Veden kritisierten, werden stattdessen nahezu wortwörtlich wiedergegeben. So zitiert sie Stellen aus dem Svetasvatara-Upanishad und dem Katha-Upanishad.[7]

Den Weg der Askese lässt die Gita zwar gelten; gibt aber ihrerseits einem Tätigsein in der Welt den Vorzug. So heißt es in Vers 5.2:

Entsagung zwar und Tätigkeit,
Sie führen beide wohl zum Heil,
Doch wird vor dem Entsagenden
Dem Tätigen der Preis zuteil.[8]

Kurzübersicht

  • 1. Gesang Niedergeschlagenheit. Die Bhagavad Gita beginnt mit der Darstellung des Schlachtfelds von Kurukshetra. Zwei riesige Armeen, die unterschiedliche Loyalitäten und Ideologien vertreten, stehen sich in einem katastrophalen Krieg gegenüber. Bei Arjuna ist Krishna, nicht als Teilnehmer am Krieg, sondern nur als sein Wagenlenker und Ratgeber. Arjuna bittet Krishna, den Wagen zwischen den beiden Armeen zu bewegen, damit er diejenigen sehen kann, die "begierig auf diesen Krieg sind". Er sieht Familie und Freunde auf der Seite des Feindes. Arjuna ist verzweifelt und in Sorge. Die gestellte Frage lautet: Ist es moralisch richtig zu töten? Dieses und andere moralische Dilemmata im ersten Kapitel sind in einem Kontext angesiedelt, in dem bereits das Hindu-Epos und Krishna ahimsa (Gewaltlosigkeit) als höchste und göttliche Tugend des Menschen gepriesen haben. Der Krieg fühlt sich für Arjuna böse an, und er stellt die Moral des Krieges in Frage. Er fragt sich, ob es edel ist, zu verzichten und wegzugehen, bevor die Gewalt beginnt, oder ob er kämpfen soll, und wenn ja, warum.
  • 2. Gesang Yoga der Erkenntnis. Das zweite Kapitel beginnt mit den philosophischen Diskussionen und Lehren, die in der Gita zu finden sind. Der Krieger Arjuna, dessen Vergangenheit sich darauf konzentrierte, die Fähigkeiten seiner Pflicht als Krieger zu erlernen, steht nun einem Krieg gegenüber, an dem er zweifelt. Voller Selbstbeobachtung und Fragen nach dem Sinn und Zweck des Lebens befragt er Krishna über die Natur des Lebens, das Selbst, den Tod, das Leben nach dem Tod und darüber, ob es einen tieferen Sinn und eine tiefere Wirklichkeit gibt. Krishna belehrt Arjuna über die ewige Natur der Seele (atman) und die vorübergehende Natur des Körpers und rät ihm, seine Aufgabe als Krieger mit Gelassenheit und ohne Kummer zu erfüllen. Er appelliert dann weiter an seine Ehre als Krieger und dass es seine Pflicht sei, einen gerechten Kampf zu führen. Allgemeiner führt er aus, dass eine Tat in Gleichmut und Andacht geschehen soll und ohne auf den Erfolg der Tat zu spekulieren. Er soll seine Sinne bändigen und auf den Höchsten schauen. Das Kapitel fasst somit die hinduistische Vorstellung von Wiedergeburt, Samsara, dem ewigen Selbst in jedem Menschen (atman), dem universellen Selbst, das in jedem Menschen gegenwärtig ist, den verschiedenen Arten von Yoga, der Göttlichkeit im Inneren, der Natur der Erkenntnis des Selbst und anderen Konzepten zusammen. Die Ideen und Konzepte des zweiten Kapitels spiegeln den Rahmen der Samkhya- und Yoga-Schulen der Hindu-Philosophie wider. Dieses Kapitel ist ein Überblick über die restlichen sechzehn Kapitel der Bhagavad Gita. Mahatma Gandhi lernte die letzten 19 Verse des zweiten Kapitels auswendig und betrachtete sie als seinen Wegbegleiter in seiner gewaltlosen Bewegung für soziale Gerechtigkeit während der Kolonialherrschaft.
  • 3. Gesang Yoga des Handelns (Karma Yoga). Nachdem er Krishnas spirituellen Lehren in Kapitel 2 zugehört hat, wird Arjuna noch verwirrter und kehrt zu seiner misslichen Lage zurück. Er fragt sich, ob das Kämpfen im Krieg nicht doch "nicht so wichtig" ist, wenn man Krishnas Überblick über das Streben nach spiritueller Weisheit bedenkt. Krishna antwortet, dass es keine Möglichkeit gibt, Handlungen (Karma) zu vermeiden, da die Enthaltung von der Arbeit auch eine Handlung ist. Krishna erklärt, dass Arjuna verpflichtet ist, seine Pflicht (dharma) zu verstehen und zu erfüllen, denn alles ist durch das Gesetz von Ursache und Wirkung miteinander verbunden. Jeder Mann oder jede Frau ist durch Aktivität gebunden. Wer selbstsüchtig handelt, schafft die karmische Ursache und ist dadurch an die Wirkung gebunden, die gut oder schlecht sein kann. Diejenigen, die selbstlos für die richtige Sache handeln und danach streben, ihre dharmische Pflicht zu erfüllen, tun Gottes Werk. Diejenigen, die ohne Verlangen nach Früchten handeln, sind frei von karmischen Wirkungen, weil die Ergebnisse sie niemals motivieren. Was auch immer das Ergebnis ist, es beeinflusst sie nicht. Ihr Glück kommt von innen, und die äußere Welt stört sie nicht. Nach Flood und Martin wird ab Kapitel 3 "eine theologische Antwort auf Arjunas Dilemma" entwickelt.[9]
  • 4. Gesang Göttliche Erkenntnis. Krishna, der Avatar, erklärt, dass er bereits viele Geburten durchlebt hat und immer wieder diese unvergängliche Lehre des Yoga verkünde zum Schutz der guten Menschen und zu der Bösen Untergang. Und wer diese Wahrheit wirklich erkannt habe, werde nicht wiedergeboren und gelange zu ihm. Weiterhin sagt er, dass man dem Brahman auf viele Arten opfern könne, doch das Opfer der Erkenntnis sei das beste Opfer. Denn durch diese Erkenntnis erkenne man alle Wesen im Selbst und dann in ihm. Wann immer das Dharma nachlässt und der Mensch den Sinn des Lebens vergisst, sagt Krishna, kehrt er zurück, um das Dharma wiederherzustellen. Jedes Mal, wenn er zurückkehrt, lehrt er über das innere Selbst in allen Wesen. Die späteren Verse des Kapitels kehren zurück zur Diskussion über motivloses Handeln und die Notwendigkeit, die richtige Handlung zu bestimmen, sie als das eigene Dharma (Pflicht) auszuführen und dabei auf die Ergebnisse, Belohnungen und Früchte zu verzichten. Die gleichzeitige äußere Handlung mit innerer Entsagung, sagt Krishna, ist das Geheimnis des Lebens in Freiheit. Handeln führt zu Wissen, während selbstloses Handeln zu spirituellem Bewusstsein führt, sagen die letzten Verse dieses Kapitels. Das 4. Kapitel ist das erste Mal, wo Krishna beginnt, Arjuna seine göttliche Natur zu offenbaren. Auch stellt er zum ersten Mal das Konzept des Gurus und dessen Wichtigkeit vor indem er in Vers 4.34. sagt: "Man sollte sich einem spirituellen Meister mit tiefer Hingabe, umfassender Erkundung und liebendem Dienst hingeben. Solche verwirklichten Seelen können dich unterweisen, denn sie haben die Wahrheit gesehen."[10][11]
  • 5. Gesang Entsagung oder Yoga der Werke. Arjuna fragt, was denn nun besser sei, sich der Tat zu enthalten oder die Tat zu üben. Krishna antwortet, dass beide Wege Heil bringen, doch höher als die Entsagung der Tat sei der Yoga des Wirkens zu bewerten. Beide Wege führten zum Ziel, doch sei wahrhafte Entsagung ohne Yoga nur schwer zu erreichen. Wer aber im Yoga lebend seine Sinne bezwungen habe und mit aller Wesen Seele eins sei, werde durch sein Handeln nicht verstrickt. Und wer Brahman als den Herrn der Welt erkannt habe, der alle Opfer und Anstrengung mit Freuden annehme, gelange zum wahren Frieden. In den letzten Versen des Kapitels heißt es, dass die, die Selbstverwirklichung erreicht haben, ohne Angst, Zorn oder Verlangen leben. Sie sind innerlich frei, immer. Kapitel 5 weist Anzeichen für Einschübe und innere Widersprüche auf. Zum Beispiel, so Arthur Basham, heißt es in den Versen 5.23-28, dass das spirituelle Ziel eines Weisen die Verwirklichung des unpersönlichen Brahman ist, doch im nächsten Vers 5.29 heißt es, dass das Ziel die Verwirklichung des persönlichen Gottes ist, der Krishna ist.[12]
  • 6. Gesang Yoga der Besinnung. Das Kapitel beginnt als Fortsetzung von Krishnas Lehren über selbstlose Arbeit und die Persönlichkeit eines Menschen, der auf die Früchte verzichtet hat, die in Kapitel 5 zu finden sind. Krishna sagt, dass solche selbstverwirklichten Menschen unparteiisch gegenüber Freunden und Feinden sind, jenseits von Gut und Böse stehen und denen, die sie unterstützen oder sich ihnen entgegenstellen, gleich gesonnen sind, weil sie den Höhepunkt des Bewusstseins erreicht haben. Weiterhin beschreibt Krishna Arjuna die rechte Körperhaltung für die Meditation und nennt ihm den rechten Lebenswandel für Arbeiten, Essen und Schlafen. Er sagt, dass sich durch die rechte Andachtshaltung Gedanken und Sinnenerregung allmählich beruhigen. Dann kann durch das beständige, achtsame Leben im Selbst das Brahman-Nirvana erreicht und damit grenzenloses Glück erlangt werden. Die Verse 6.10 und folgende fassen die Prinzipien von Yoga und Meditation in einem Format zusammen, das Patanjalis "Yogasutra" ähnelt, aber einfacher ist als dieses. Es wird erörtert, wer ein wahrer Yogi ist und was es braucht, um den Zustand zu erreichen, in dem man niemandem Böses will. Vers 6.47 unterstreicht die Bedeutung des Glaubens der Seele und des liebenden Dienstes an Krishna als höchste Form des Yoga.
  • 7. Gesang Yoga der Erkenntnis und Weisheit. Krishna verkündet Arjuna, wie er, Yoga übend, Herz und Sinne auf ihn gerichtet, das Wissen vollständig erlangen kann (was nur wenigen gelingt). Er sagt, dass er in seiner niederen Natur die materielle Welt darstellt, in seiner höheren Natur aber alles aus ihm stammt, von ihm erhalten wird und alles Sein in ihm ist; er aber nicht in ihr. Wer zu einer Gottheit strebt, dem wird zuteil, was er verlangt. Wer sich aber ihm zuwendet, überwindet das Scheinbild der Natur und gelangt zu ihm, dem Ungeborenen, Ewigen – auch im Sterben.
  • 8. Gesang Das Höchste Göttliche. Auf die entsprechenden Fragen von Arjuna antwortet Krishna: Brahman ist das ewige, höchste Sein, sein Wesen ist das höchste Selbst, und die Schöpfung, welche den Ursprung der Wesen bewirkt, wird das Werk genannt. Wer seinen Körper verlässt und zur Zeit seines Endes in Gedanken an mich weitergeht, erlangt meinen Seinszustand. Wer dieses Denken zu allen Zeiten geübt hat, geht in mein Wesen ein; darüber kann kein Zweifel bestehen.
  • 9. Gesang Das Königswissen. Krishna fordert von Arjuna, gut zuzuhören, und spricht: Die Welt ist ausgespannt durch mich, alle Wesen sind in mir. Den Weg zu mir zu üben ist kinderleicht; doch ist es notwendig zu glauben, sonst verfehlt man mich. Ich bin zu allen Menschen gleich; doch die liebend mich verehren, die sind in mir und erreichen die höchste Bahn. Selbst ein großer Sünder, der mich verehrt, wird bald ein frommer Mann und geht zu ewigem Frieden ein. Wer sich mir liebend zuwendet, geht unabhängig von seiner Geburt, seinem Geschlecht oder seiner Kaste einstmals zu mir ein.
  • 10. Gesang Yoga der Offenbarung. Arjuna ist von den Offenbarungen Krishnas tief beeindruckt und will wissen, in welchem Zustand des Seins er den „Herrlichen“ erkennen soll. Krishna antwortet, dass der „Höchste“ keine Grenzen habe und er deshalb nur das Wichtigste aufzähle. Dann zählt er die Namen von Göttern, mythischen Gestalten und berühmten Menschen der Vergangenheit auf. Er sagt, dass der „Himmlische“ die Seele der Welt sei und in aller Wesen Herz zu finden sei. Weiterhin nennt er Namen von Pflanzen und Tieren, erwähnt Begriffe aus Kunst und Wissenschaft. Er schließt mit der Aussage, dass er, mit einem Teil seiner selbst, dieses Weltall erschaffen habe und dass immer dann, wenn ein herrliches Geschöpf in der Welt sei oder ein Wesen von Wissensmacht, Stärke und Schönheit sich zeige, dies ein besonderer Ausdruck seiner Größe und Kraft und seines Lichtes sei. (Theorie der Vibhutis)
  • 11. Gesang Schau der göttlichen Gestalt. Arjuna wünscht von Krishna, mit eigenen Augen den Ewigen zu sehen. Der Erhabene „verleiht“ ihm daraufhin ein „himmlisches“ Auge, damit er die Allgestalt (Vishvarupa) des höchsten Gottes Vishnu bzw. Krishna erkennen kann. Arjuna schaut die göttliche Gestalt, mit dem Antlitz allerwärts gewandt, wie wenn das Licht von tausend Sonnen am Himmel plötzlich hervorbräche. Und er sieht weder Ende, Mitte noch Anfang. Und er sieht die Götter und die Schar der Wesen in ihm enthalten. Er sieht den Herrn der Götter und des Alls auch als den Herrn der Zeit, der seine Geschöpfe in seinem „Rachen“ verschlingt. Und er sieht, wie die Menschen voller Hast zum Untergang eilen. Und der Erhabene sagt, dass auch die Kämpfer alle dem Tod verfallen sind. Und er, Arjuna, sei sein Werkzeug, um jene zu töten, die bereits durch ihn „getötet“ sind. Arjuna faltet seine Hände zitternd und verehrt den Höchsten.
  • 12. Gesang Yoga der liebevollen Hingabe (Bhakti-Yoga). Arjuna fragt, welche Gläubigen von Gott bevorzugt würden – diejenigen, die Gott als gestaltlos betrachten und verehren, oder diejenigen, die Gott den Allmächtigen in einer offenbarten Gestalt verehren? Krishna erklärt beide Arten der Verehrung als gleichermaßen gut, doch erfordere es mehr Mühsal, sich dem Unsichtbaren zu weihen. Leichter sei es für denjenigen, der sein Denken ganz in ihn versenke. Wenn er dies nicht könne, soll er die Andacht eifrig üben; sei er auch dazu zu schwach, soll er sein Tun ihm weihen; könne er auch dies nicht leisten, soll er andachtsvoll auf die Früchte aller Taten verzichten.
  • 13. Gesang Das Feld und der Kenner des Feldes. Leib und die gesamte Natur werden von Krishna als das Feld bezeichnet. Der Feldkenner sei der Geist, der diesen Leib beseelt. Krishna sagt von sich selbst, dass er alle Felder hier kenne. Das Feld verändere sich zu jeder Zeit, und nur durch Gleichmut gegen Äußeres und vollkommene Hingebung an ihn könne das anfanglose, höchste Brahman erreicht werden. Dieses höchste Brahman sei innerhalb und außerhalb der Welt, zugleich fern und nah und doch so fein, dass niemand (mit Sinnen) es wahrnehme. Es wohne im Herzen jedes Wesens und bleibe doch in Wahrheit ungeteilt.
  • 14. Gesang Über die drei Gunas. Alle Gedanken, Worte und Handlungen sind erfüllt von sattva (Wahrhaftigkeit, Reinheit, Klarheit), rajas (Bewegung, Energie, Leidenschaft) oder tamas (Finsternis, Trägheit, Stabilität). Wer alles, was existiert, als Zusammenwirken dieser drei Seinszustände begreife, der könne Erkenntnis gewinnen. Auf die Frage von Arjuna, wie er denjenigen erkenne, der die drei Gunas besiegt habe, antwortet Krishna: Wer ruhig und gefasst bleibt beim ‚Auftauchen’ eines Gunas, stets den Gleichmut bewahrt, standhaft ist in Freud und Leid, wer gleich sich bleibt, wenn man ihn schmäht oder bewundert, wer jeder Tat (aus dem Ich) entsagt, der löst sich aus der Macht der Gunas. Ebenso gelingt dies demjenigen, der in unbeirrbarer Liebe nach mir sucht. Auch er gelangt über die drei Gunas hinaus und kann zu Brahman werden.
  • 15. Gesang Yoga des Höchsten Geistes. Es folgt das Bild eines Baumes mit Wurzeln im Himmel, ohne Anfang und ohne Ende. Es ist notwendig, dessen Triebe (Sinnesdinge), Äste und die feste Wurzel mit dem Beil des Gleichmuts und der „Nicht-Anhänglichkeit“ zu fällen und den unbeweglichen Geist (Brahman) zu erreichen. Später heißt es dann, dass das höchste Selbst (Purushottama) größer ist als dieser unwandelbare Geist (akshara) und auch größer ist als der Geist, der zu den Dingen ward (kshara). Er sei es nämlich, der diese ganze Dreiwelt trage und als Herr durchwalte und umspanne. Wer dies wahrhaft erkenne, habe das letzte Ziel erreicht.
  • 16. Gesang Yoga der Unterscheidung. Krishna nennt die Eigenschaften von Menschen mit „göttlicher Natur“ und die Eigenschaften von Menschen mit „dämonischer Natur“. Menschen von dämonischer (asurischer) Wesensart sagen, es gibt kein sittliches Gesetz. Allein die Lust regiere die Welt. Von Gier und Zorn durchbebt verschmähen sie den Gott, der in ihnen und den anderen lebt. Sie sinken herab zum tiefsten Ort und finden mich nie. Du aber, Arjuna, bist von göttlicher Wesensart. Darum handele stets so, wie es das Dharma verlangt.
  • 17. Gesang Dreigeteiltheit des Glaubens. Neben dem Shastra (Gesetz, Ordnung, Wissenschaft) ist es der Glaube, der das Leben eines Menschen bestimmt. Auch der Glaube ist ebenso wie die Nahrung, das Opfer und die Buße in seiner Ausgestaltung von der Natur der Gunas beherrscht. Selbstquälerische Askese zählt Krishna dabei zur Natur des Dämonischen.
  • 18. Gesang Yoga des Entsagens. Arjuna fragt, was der Unterschied sei zwischen Entsagung (Sannyasa) und Werkverzicht (Tyaga). Krishna antwortet, dass der Mensch nicht auf jegliches Wirken verzichten kann. Auf Opfer, Spende und Askese soll in keinem Fall verzichtet werden. Wer auf die Früchte seines Handelns verzichtet und auf mich vertraut, von dem sagt man zu Recht, dass er ein Entsagender sei. Wer den durch Pflichterfüllung ehrt, der dieses All durchdringt und aller Wesen Urgrund ist, erringt Vollkommenheit, und wer dem Gesetz seiner Seele (Svadharma) folgt, gelangt zu mir (dem Purushottama).

Arjuna sagt, dass er sich besonnen hat und nach Krishnas Worten handeln will.

Wirkung

Diese achtzehn Kapitel des Epos haben das gesamte indische Geistesleben beeinflusst. Kein Text der Hinduliteratur wird so viel gelesen, so oft auswendig gelernt und so häufig zitiert wie diese Verse. Viele Hindus ziehen das Buch als wichtigen Ratgeber heran, und auch für Mahatma Gandhi war es von erheblicher Bedeutung:

„In der Bhagavadgita finde ich einen Trost, den ich selbst in der Bergpredigt vermisse. Wenn mir manchmal die Enttäuschung ins Antlitz starrt, wenn ich verlassen, keinen Lichtstrahl erblicke, greife ich zur Bhagavadgita. Dann finde ich hier und dort eine Strophe und beginne zu lächeln, inmitten aller Tragödien, und mein Leben ist voll von Tragödien gewesen. Wenn sie alle keine sichtbaren Wunden auf mir hinterlassen haben, verdanke ich dies den Lehren der Gita.“[13]

Gandhi wollte dieses Werk noch mehr Menschen zugänglich machen. Darum verfasste er, obwohl kein Schriftgelehrter, eine Übersetzung in seine Muttersprache Gujarati und schrieb dazu auch eigene, knappe Kommentare. Diese Ausgabe widmete er den Armen, die wenig Geld für Bücher ausgeben können, sowie denen, die selten Zeit zum Lesen haben; nach eigenen Worten den Frauen, Geschäftsleuten und Handwerkern.[14]

Die Bedeutung der Bhagavad Gita erstreckt sich jedoch nicht nur auf Indien, auch für viele Nicht-Hindus gehört sie zu den großen religionsphilosophischen Dichtungen der Weltliteratur. Al Biruni, ein persischer Universalgelehrter, hat sich mit ihr um 1000 in seinem berühmten Buch über Indien, dem Kitab-al-Hind, beschäftigt. Um 1600 hat Abul Fazl, der Historiograf des Mogulherrschers Akbar I. des Großen, das Werk in persische Prosa übertragen. 1785 kam die Bhagavad Gita, durch den Orientalisten Charles Wilkins übersetzt, nach Europa. August Wilhelm Schlegel, der Inhaber des ersten Lehrstuhls für Indologie in Deutschland an der Universität Bonn, ließ sich in Paris Buchstaben für den Satz des indischen Devanagari-Alphabets herstellen, um damit die ersten Sanskrit-Texte in Europa zu drucken. Das erste Buch war 1823 die Bhagavad Gita mit einer lateinischen Übersetzung von August Wilhelm Schlegel.[15] Sie fand begeisterte Aufnahme und viele zeitgenössische Gelehrte verbreiteten sie unter ihren Schülern. Wilhelm von Humboldt schrieb 1825 bis 1826 zwei Abhandlungen darüber in den Schriften der Berliner Akademie. Er bezeichnete die Bhagavad Gita als „… das schönste, ja vielleicht das einzig wahrhafte philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben“.[16] Arthur Schopenhauer zitiert die Schlegel-Übersetzung in der zweiten Auflage seines Hauptwerks Die Welt als Wille und Vorstellung von 1844.

Die Bhagavad Gita wurde in Versform unter anderem von Robert Boxberger (1870), Franz Hartmann (1904) Theodor Springmann (1920), und Leopold von Schroeder (1937) (ins Deutsche) und von Friedrich Rückert (ins Lateinische) übersetzt. Unter den zahlreichen Prosa-Übersetzungen sind nach Ansicht des Indologen Helmuth von Glasenapp diejenigen von Richard Garbe (1905), Paul Deussen (1906) und Rudolf Otto (1935) von besonderem wissenschaftlichen Wert.[16]

Sie übte großen Einfluss auf die Theosophie aus. Weltweit verbreitet ist heute die Übersetzung und Kommentierung Bhagavad-gītā, wie sie ist des ISKCON („Hare Krishna“)-Begründers Prabhupada, der die Lehren im Lichte des monotheistischen Gaudiya Vaishnavatums betrachtet.

Ebenfalls großen Einfluss übte sie auf das Denken und Handeln des Physikers Robert Oppenheimer aus.[17]

Der amerikanische Schriftsteller Steven Pressfield schrieb basierend auf der Bhagavad Gita den Roman Die Legende von Bagger Vance, der im Jahr 2000 mit Will Smith, Matt Damon und Charlize Theron verfilmt wurde.

Kommentare

Traditionell gehören die Kommentatoren einer spirituellen Tradition oder Schule und bestimmten Gurulinien an, die jede für sich beanspruchen, am zuverlässigsten den Originaltext wiederzugeben. Die verschiedenen Übersetzer und Kommentatoren haben bisweilen auch weit voneinander abweichende Ansichten über die Bedeutung bestimmter Sanskritwörter und Ausdrücke. Dies führt dazu, dass Interpretationen ganzer Abschnitte in den Literaturwissenschaften des Westens oft mit den traditionellen Ansichten nicht übereinstimmen.

Der älteste und zugleich einflussreichste Kommentar des Mittelalters stammt von Shankara, dem bedeutendsten Philosophen der Vedanta-Schule des Advaita-Vedanta (Nicht-Dualität). Nach ihm weisen auch die Lehren der Gita auf die Erkenntnis einer sich als pure Erscheinung (Maya) manifestierenden, differenzierten Wirklichkeit sinnlicher und gedanklicher Erfahrung.[18] Anderer Ansicht ist dagegen Ramanuja, der im elften Jahrhundert lebte und lehrte, dass die erfahrbare Welt keine Täuschung oder Illusion, sondern in all ihrer Vielfalt real ist, diese Realität gleichwohl aber vom Allerhöchsten abhänge. Folgerichtig wird daher von Ramanuja der Weg der Hingabe (Bhakti-Yoga) als die wichtigste Botschaft der Gita bezeichnet. Auch von Madhva (1199–1278), dem Begründer der Schule der Zweiheit (Dvaita-Vedanta), gibt es einen ausführlichen Kommentar zur Bhagavad Gita.[19]

Im 20. Jahrhundert wurden bemerkenswerte Kommentare von den Großen der indischen Unabhängigkeitsbewegung Bal Gangadhar Tilak (während seiner Zeit im Gefängnis 1910/11), Mahatma Gandhi und Sri Aurobindo geschrieben. Andere moderne Kommentatoren waren Swami Vivekananda und Sarvepalli Radhakrishnan. Radhakrishnan schreibt, dass nach Aussage der Bhagavad Gita „ein Kampf zwischen Gut und Böse in der Welt stattfindet, an dem Gott innigen Anteil nehme“. Radhakrishnan sieht in der Gestalt von Krishna, wie sie in der Gita erscheint, „eine Veranschaulichung der geistigen Quellen und der verborgenen Göttlichkeit des Menschen“.[20] Paramahansa Yogananda, Verfasser der Autobiografie eines Yogi, schrieb einen umfangreichen Kommentar für Yogis und speziell für seinen Kriya-Yoga.[21] A. C. Bhaktivedanta, Gründer der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON), schrieb einen Kommentar zur Gita aus der Perspektive der Gaudiya-Vaishnava-Schule, einer vishnuitischen Lehre, welche die Verehrung des göttlichen Paares Radha-Krishna sowie das Singen und Rezitieren ihrer Namen ins Zentrum der Verehrung stellt.

Kritik

Albert Schweitzer kommt in seinem 1935 geschriebenen Werk über die Weltanschauung der indischen Denker zu einer sehr kritischen Einschätzung der ethischen Wertvorstellungen, wie sie in der Gita zu finden sind. Er schreibt:

„Weil sich in ihr so wunderbare Sätze von der innerlichen Losgelöstheit von der Welt, von der hasslosen und gütigen Gesinnung und von der liebenden Hingebung an Gott finden, pflegt man das Nicht-Ethische, das sie enthält, zu übersehen. Sie ist nicht nur das meistgelesene, sondern auch das meist idealisierte Buch der Weltliteratur.“[22]

Literatur

Commons: Bhagavad Gita – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: भगवद् गीता – Quellen und Volltexte (Sanskrit)

Einzelnachweise

  1. Bhagavad Gita. Mit einem spirituellen Kommentar von Bede Griffiths. Aus dem Sanskrit übersetzt, eingeleitet und erläutert von Michael von Brück. Kösel-Verlag, München 1993, ISBN 3-466-20373-2, Universität München, abgerufen am 13. Oktober 2018 [1]
  2. Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Philosophie-Atlas. Erfahrung ursprünglicher Bewusstheit. Via Nova, Petersberg 2006, ISBN 978-3-936486-04-9, S. 71 f.
  3. S. Radhakrishnan: Die Bhagavadgita. R. Löwit, Wiesbaden, S. 17.
  4. Werner Scholz: Hinduismus. Ein Schnellkurs. Dumont, Köln 2008, ISBN 978-3-8321-9070-5, S. 40
  5. Robert Boxberger, neu bearbeitet Helmuth von Glasenapp, Reclam 1955, Bhagavadgita 2,42 und 2,43
  6. Robert Boxberger, neu bearbeitet Helmuth von Glasenapp, Reclam 1955, Bhagavadgita 2,46
  7. Helmut Glasenapp: Die Philosophie der Inder. S. 171.
  8. Robert Boxberger, neu bearbeitet Helmuth von Glasenapp, Reclam 1955, Bhagavadgita 5,2
  9. Galvin Flood, Charles Martin: The Bhagavad Gita: A New Translation. W.W. Norton & Company, 2013, ISBN 978-0-393-34513-1, S. xix (google.com).
  10. Galvin Flood, Charles Martin: The Bhagavad Gita: A New Translation. W.W. Norton & Company, 2013, ISBN 978-0-393-34513-1, S. xxi (google.com).
  11. Arthur Llewellyn Basham: The Origins and Development of Classical Hinduism. Oxford University Press, 1991, ISBN 978-0-19-507349-2, S. 93 (google.com).
  12. Arthur Llewellyn Basham: The Origins and Development of Classical Hinduism. Oxford University Press, 1991, ISBN 978-0-19-507349-2, S. 85–87 (google.com).
  13. Zitiert nach der deutschen Übersetzung (Siegfried Lienhard) der Bhagavad Gita des S. Radhakrishnan aus dem Verlag R. Löwit Wiesbaden (undatiert, zwischen 1950 und 1970)
  14. Mahatma Gandhi: The Bhagavadgita according to Gandhi, North Atlantic Books, Introduction
  15. Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln. Theseus, 2000, S. 67f.
  16. a b Bhagavadgita. Reclam. Vorwort von Helmut von Glasenapp, 1955, S. 9.
  17. The Gita of J. Robert Oppenheimer (Memento des Originals vom 21. März 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/alsos.wlu.edu, Proceedings of American Philosophical Society, Published 2000, Text über Einfluss der Gita auf Robert Oppenheimer
  18. Helmuth v. Glasenapp: Die Philosophie der Inder. A. Kröner, S. 185/186
  19. Kuno Lorenz: Indische Denker, S. 233–240.
  20. Ronald Sequeira: Die Philosophien Indiens, S. 197.
  21. Paramahansa Yogananda: God Talks with Arjuna, The Bhagavad Gita. An new translation and commentary, Self-Realization Fellowship, 2001, ISBN 0-87612-031-1 (paperback) ISBN 0-87612-030-3 (hardcover, auch in deutsch), Introduction.
  22. Albert Schweitzer: Die Weltanschauung der indischen Denker (Nachdruck der 3., auf Grund der engl. Ausgabe von 1935 neu gefassten Ausgabe 1965). Beck, München 1987, ISBN 3-406-32272-7.