„Schlesische Friedenskirchen“ – Versionsunterschied
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Während die erste, 1648 in Glogau erbaute und 1654 nach einem Einsturz neu errichtete Friedenskirche 1758 bei einem Stadtbrand zerstört wurde, blieben die Friedenskirchen von Jauer und Schweidnitz über 350 Jahre lang erhalten und stehen seit dem Jahr 2001 auf der [[Welterbe]]liste der [[UNESCO]]. Sie sind die einzigen evangelischen Kirchenbauten, die als Einzelobjekte diesen Welterbestatus besitzen.<ref>Reiner Sörries: ''Von Kaisers Gnaden.'' 2008, S. 26.</ref><ref>Joachim Lukas: [http://www.hausderheimat-nuernberg.de/wp-content/uploads/14.15-Friedenskirchen-Ende-2015.pdf ''Landeskundliche Notizen aus Schlesien – Friedenskirchen.''] Abgerufen am 16. November 2016.</ref> |
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== Geschichte == |
== Geschichte == |
Version vom 2. Juli 2018, 08:20 Uhr
Friedenskirchen in Jawor und Świdnica | |
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UNESCO-Welterbe
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Friedenskirchen in Jawor (oben) und Świdnica (unten) | |
Vertragsstaat(en): | Polen |
Typ: | Kultur |
Kriterien: | (iii), (iv), (vi) |
Referenz-Nr.: | 1054
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UNESCO-Region: | Europa und Nordamerika |
Geschichte der Einschreibung | |
Einschreibung: | 2001 (Sitzung 14) |
Als schlesischen Friedenskirchen werden drei Kirchengebäude in Głogów (Glogau), Jawor (Jauer) und Świdnica (Schweidnitz) in Schlesien bezeichnet, die die bedeutendsten evangelischen Kirchenbauten im gesamten Habsburgerreich sind.[1] Es sind die drei einzigen evangelischen Kirchen, die im Westfälischen Frieden von 1648 nach der Rekatholisierung Schlesiens auf Drängen der schwedischen Regierung vom Habsburgerkaiser Ferdinand III. den protestantischen Schlesiern zugestanden wurden und die gottesdienstliche Versorgung großer Landstriche in einem überwiegend protestantischen Gebiet gewährleisten mussten.[1]
Während die erste, 1648 in Glogau erbaute und 1654 nach einem Einsturz neu errichtete Friedenskirche 1758 bei einem Stadtbrand zerstört wurde, blieben die Friedenskirchen von Jauer und Schweidnitz über 350 Jahre lang erhalten und stehen seit dem Jahr 2001 auf der Welterbeliste der UNESCO. Sie sind die einzigen evangelischen Kirchenbauten, die als Einzelobjekte diesen Welterbestatus besitzen.[2][3]
Geschichte
Zu den Beschlüssen des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 gehörte die Erlaubnis für die schlesischen Protestanten, drei „Friedenskirchen“ zu bauen, nämlich in Glogau, Schweidnitz und Jauer. Allerdings musste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt werden: Steine und Ziegel waren als Baumaterial verboten, nur Holz, Lehm und Stroh durften verwendet werden. Ebenfalls nicht gestattet war, die Kirchen mit Türmen oder Glocken zu versehen. Als Standorte kamen nur Plätze außerhalb der Stadtmauern in Frage. Die Bauzeit durfte ein Jahr nicht überschreiten und die Baukosten hatte die Gemeinde zu tragen.
Die Altranstädter Konvention von 1707 brachte die Erlaubnis, Türme und Glocken hinzuzufügen. Daraufhin wurden am Anfang des 18. Jahrhunderts neben die Kirche in Schweidnitz und an die Kirche in Jauer jeweils ein Glockenturm – ebenfalls im Fachwerkstil – gebaut.
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Glogau
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Jauer
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Schweidnitz
Welterbe
Auf seiner 14. Sitzung in Helsinki am 13. Dezember 2001 nahm das Welterbekomitee die Friedenskirchen von Schweidnitz und Jauer einstimmig in die Liste des Welterbes der Menschheit auf:
„Die Friedenskirchen sind ein einzigartiges Zeugnis des besonderen Charakters der politischen und geistigen Entwicklung in Europa. Sie beinhalten bautechnische und architektonische Lösungen, die einen gelungenen Versuch darstellen, den der Gemeinde und den Baumeistern gestellten strengen Anforderungen gerecht zu werden.
Gleichzeitig bilden sie ein architektonisches und künstlerisches Glaubenszeugnis einer Religionsgemeinschaft und sind Ausdruck ihres starken Überlebenswillens. Unter harten Bedingungen hat sich diese Gemeinschaft mit unvergleichlicher Mühe den für die Verehrung Gottes auch heute noch unverzichtbaren Raum geschaffen.[4]“
Friedenskirchen
Friedenskirche in Glogau
Die Friedenskirche in Glogau „Zur Krippen Christi“, erbaut 1648, wurde nach ihrem Einsturz neu erbaut 1652, jedoch beim Stadtbrand von 1758 vernichtet. Auch die Nachfolgekirche „Schifflein Christi“ existiert nicht mehr, sie wurde durch Kriegseinwirkungen stark beschädigt und dann abgerissen. Nur ein Lapidarium zeugt von dieser Kirche, die Carl Gotthard Langhans entworfen hatte.
Friedenskirche in Jauer
Die Friedenskirche in Jawor/Jauer, erbaut 1655, fasst 5500 Personen. Da die zusätzliche Bedingung für ihre Errichtung war, dass die Kirche auf Kosten der evangelischen Pfarrgemeinde gebaut werden sollte und die Bürgerschaft diese Kosten nicht alleine aufbringen konnte, wurde in den protestantischen Ländern gesammelt. Innerhalb von zwei Jahren kamen 4.600 Taler zusammen.
1652 wurde ein Platz von 1180 qm Fläche abgesteckt und am 14. April 1655 fand die Grundsteinlegung statt. Unter der Leitung von Albrecht von Saebisch errichtete der einheimische Zimmermann Andreas Gamper mit seinen Gehilfen die Holzkonstruktion der Kirche. Schon Ende September wurde das Dach fertiggestellt. Am 23. Dezember 1655 war die Einweihung des Baus und seine Taufe mit dem Namen „Zum Heiligen Geist“. 1656 wurde das Kircheninnere um ein Holztaufbecken, Bänke, Stühle und Schemel ergänzt, 1670 kamen noch die vom Liegnitzer Bildhauer Matthias Knote gefertigte Kanzel und zwei Jahre später der Hochaltar des Tischlermeisters Michael Steudner aus Landeshut dazu.
Zum 100. Jahrestag der Erbauung wurden zahlreiche Arbeiten im Kircheninneren ausgeführt: Georg Flegel aus Schmiedeberg malte auf die Brüstungen der zweiten und vierten Empore einen Zyklus von 143 Bibeldarstellungen samt kurzen Erläuterungen. Bis 1710 wurde auch die erste und dritte Empore mit biblischen Bildern versehen.[5]
Am Ende des Zweiten Weltkriegs blieb die Friedenskirche erhalten und auch der Kirchenbesitz blieb vorläufig im Besitz der Gemeinde. Als die Mitglieder der noch vorhandenen deutschen Gemeinde nach und nach in die Bundesrepublik ausreisten, erstarb allmählich das Gemeindeleben und der kommunistische Staat ermöglichte die Enteignung des Kirchenbesitzes. Die Protestanten verloren ihr Pfarrhaus, das Haus des Organisten, das Glöcknerhaus und das historische Augusta–Victoria–Haus, ein Geschenk der Kaiserin zum 250. Jubiläum der Friedenskirche. Nur letzteres wurde nach der Wende von 1989 an die Pfarrgemeinde zurückgegeben.
Die Kirche wurde nach 1957 durch Einbrüche, Diebstähle und Plünderungen sehr in Mitleidenschaft gezogen, 1972 wurde der historische Friedhof um die Kirche aufgelöst. Es tauchte sogar die Idee auf, die Friedenskirche an die katholische Kirche zu verkaufen. Dies wurde jedoch durch das Breslauer Konsistorium verhindert und man begann danach, die ersten Reparaturen und Schutzmaßnahmen vorzunehmen. Am 14. März 1991 wurde die Evangelische Pfarrgemeinde in Jauer wiederhergestellt. Danach wurde mit gründlichen Renovierungsarbeiten begonnen, die 10 Jahre dauerten. Nach der Verleihung des Welterbetitels 2011 konnte vom 9. bis 11. September 2014 der 350. Jahrestag des Gotteshauses begangen werden. Bei dieser Gelegenheit wurden die drei renovierten Kirchenglocken neu geweiht auf die Namen Glaube, Hoffnung und Liebe.[6]
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Der später angebaute Turm
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Fachwerkkonstruktion und Verbretterung
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Der barock gestaltete Innenraum
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Vier bemalte Galerien übereinander
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Bemalte Holzdecke
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Das alte Taufbecken
Friedenskirche in Schweidnitz
Die Friedenskirche in Świdnica/Schweidnitz, erbaut 1657, fasst 7.500 Personen, sie ist die größte Fachwerkkirche in Europa. Der evangelischen Gemeinde war 1656 ein Gelände von 200 mal 200 Schritten Größe übergeben worden, auf dem im August 1656 der Grundstein für den Fachwerkbau gelegt wurde. Ein knappes Jahr später war die Kirche dank des großen Einsatzes der Protestanten fertig und am 24. Juni 1657 wurde der erste Gottesdienst in ihr gehalten. Der einheimische Zimmermann Andreas Kaemper errichtete das riesige Objekt ebenfalls nach dem Entwurf des Architekten Albrecht von Saebisch. Es ist vom Typ her eine Basilika mit einem griechischen Kreuz als Grundriss. An diese Grundform wurde im Osten die Sakristei angebaut, die auch Taufhalle genannt wird. In den folgenden Jahren wurde im Westen die „Totenhalle“, im Norden die „Feldhalle“ und im Süden die repräsentative „Trauhalle“ angebaut. Rund um das Gebäude bauten Adelsfamilien ihre eigenen Logen an, mit separaten Zugängen von außen.
Die Kirche von Schweidnitz erhielt im Laufe der Zeit eine prächtige Ausstattung:
- Altar von Gottfried August Hoffmann, 1752 zum 100. Jahrestag der kaiserlichen Baugenehmigung;
- Kanzel von 1729, ebenfalls von Gottfried August Hoffmann;
- Große und kleine Orgel;
- Hochberg-Loge, 1698 aus Dankbarkeit für die Familien von Hochberg und von Reuss gebaut, die die Protestanten unterstützt hatten;
- Reich bemalte und geschmückte Emporen;
- Gemälde an den Decken des Hauptschiffs, der Seitenschiffe und des Transsepts;
- Taufbecken in der „Taufhalle“.
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Der später gebaute Turm
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Die Trauhalle und kleine Anbauten
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Prächtiger Innenraum
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Die Orgelempore
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Deckengemälde „Heilige Dreifaltigkeit“
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Alte Taufe
Die Friedenskirche in Schwednitz steht auf einem ummauerten Gelände, das heute „Friedensplatz“ (Plac Pokoju) heißt und mit seinem Friedhof sowie den dazugehörigen Gebäuden der Pfarrgemeinde ein denkmalgeschütztes Ensemble darstellt. Es gehört zum Welterbe Friedenskirche dazu; die einzelnen Teile werden nach und nach renoviert und jeweils einer passenden Nutzung zugeführt.
Folgende Teile bilden mit der Friedenskirche zusammen das Ensemble:
- Ehemaliges Pfarrhaus, heute „Niederschlesisches Evangelisches Institut“,
- Glockenturm, 1708 gebaut, hat Glocken und ein Glockenspiel, ist renoviert und wird auch als Kunstgalerie genutzt,
- Ehemaliges evangelisches Gymnasium, 1708 gebaut, heute „Lutherheim“, eine Pension mit dem Namen „Barocker Winkel“,
- Ehemaliges Glöcknerhaus, 2012 renoviert, dient als Ausstellungsgebäude und Zentrum für UNESCO-Werbung,
- Ehemaliges Wächterhaus, neben dem Eingangstor, ist ein Café mit regionalem Warenangebot.
- Ehemaliger Friedhof, bis Ende 19. Jahrhundert genutzt, sehr renovierungsbedürftig, mitsamt der Einfriedung und der Tore.
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Eingangstor zum Friedensplatz mit Wächterhaus (heute Café)
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Der renovierungsbedürftige Friedhof (2018)
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Renovierte Pfarrschule, heute sogenanntes Lutherheim (Pension)
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Glockenturm, heute auch Kunstgalerie
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Ehemaliges Glöcknerhaus, heute Galerie
Der Friedensplatz ist mit einer ein Kilometer langen Mauer umgeben, deren Haupttor neben dem Wächterhaus ist. Das Tor trägt eine Kartusche mit dem Baudatum 1730 und einer Huldigungsinschrift für Kaiser Karl VI. Nach Ansicht vieler Fachleute gehört der Friedensplatz zu den schönsten Ensembles der alten lutherischen Architektur in Schlesien.[7]
Weitere Fachwerkkirchen in Schlesien
Von ähnlicher Fachwerk-Bauweise wie die Friedenskirchen von Jauer und Schweidnitz sind die heute noch bestehenden Bauten
- der Gnadenkirche von Militsch (Milicz),
- der Grenzkirche von Kriegheide (Pogorzeliska) und
- der Rezesskirche von Herrnprotsch (Pracze Odrzańskie).
Literatur
- Reiner Sörries: Von Kaisers Gnaden. Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich. Böhlau, Köln u. a. 2008, ISBN 978-3-412-20154-8, S. 26–28, 99–103.
- Hans Caspary: Die schlesischen Friedenskirchen in Schweidnitz und Jauer. Ein deutsch-polnisches Kulturerbe. Mit einer Einleitung von Andrzej Tomaszewski. Deutsches Kulturforum Östliches Europa, Potsdam 2005, ISBN 3-936168-24-5.
- Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526–1707 (= Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte. Band 8). Köln u. a. 2003, ISBN 3-412-06702-4 (zugleich: Hamburg, Universität, Habilitationsschrift, 2000/2001).
Weblinks
- Welterbeliste auf der Website des Welterbezentrums der UNESCO (engl.) (abgerufen am 29. Juni 2018)
Einzelnachweise
- ↑ a b Reiner Sörries: Von Kaisers Gnaden. 2008, S. 99.
- ↑ Reiner Sörries: Von Kaisers Gnaden. 2008, S. 26.
- ↑ Joachim Lukas: Landeskundliche Notizen aus Schlesien – Friedenskirchen. Abgerufen am 16. November 2016.
- ↑ Englischer Text zu den Friedenskirchen abgerufen am 29. Juni 2018
- ↑ Tomasz Stawiak und andere: Jawor–Jauer. Kosciol Pokoju, Evangelische Friedenskirche. Jawor: ohne Jahr. S. 11–19.
- ↑ Tomasz Stawiak und andere: Jawor–Jauer. Kosciol Pokoju, Evangelische Friedenskirche. Jawor: ohne Jahr. S. 23–30.
- ↑ Kirchenführer der Lutherischen Pfarrgemeinde: Die Friedenskirche zu Schweidnitz. o. O. und o. J.