Kwan-li-so
Koreanische Schreibweise | |
---|---|
Koreanisches Alphabet: | 관리소 |
Hanja: | 管理所 |
Revidierte Romanisierung: | Gwalliso |
McCune-Reischauer: | Kwalliso |
Der koreanische Begriff Kwan-li-so (auch Kwanliso, Gwalliso oder Kwalliso; in Hangul (im koreanischen Alphabet) 관리소 geschrieben) steht für Internierungslager zur dauerhaften Unterbringung politischer Gefangener in Nordkorea. Sie sind von den als Kyo-hwa-so bezeichneten Umerziehungslagern, in denen auch unpolitische Gefangene einsitzen, zu unterscheiden und stellen einen Aspekt der Menschenrechtssituation in Nordkorea dar.
Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kwan-li-so, in denen politischer Vergehen beschuldigte oder politisch unzuverlässige Personen interniert sind, werden vom Staatssicherheitsministerium betrieben. Für politische Gefangene gilt das Prinzip der Sippenhaft. Sie werden zusammen mit ihren Eltern, Kindern und Geschwistern, zuweilen sogar Großeltern und Enkeln ohne Gerichtsverfahren und Verurteilung abgeholt und in die Straflager deportiert, wo sie in der Regel den Rest ihres Lebens interniert bleiben.[1]
Die Straflager befinden sich in der Mitte und im Nordosten von Nordkorea. Sie bestehen aus zahlreichen Strafkolonien in abgelegenen und isolierten Bergtälern.[2] Die Gesamtzahl der Gefangenen wird auf etwa 200.000 geschätzt.[3] Die Internierungslager Yodŏk und Pukch’ang sind in zwei Bereiche aufgeteilt: In einem Teil leben die lebenslang internierten politischen Gefangenen, in einem anderen Teil leben ähnlich wie in den Umerziehungslagern die zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilten Gefangenen mit der Hoffnung auf mögliche Entlassung.
Menschenrechtsverletzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Kwan-li-so werden die Menschenrechte massiv verletzt. Den Gefangenen wird Zwangsarbeit auferlegt, meist mit einfachen Mitteln in Bergwerken oder der Landwirtschaft. Unterernährung, Arbeitspensum und fehlende medizinische Betreuung führen zum Tod zahlreicher Gefangener. Zudem weisen viele durch Arbeitsunfälle, Erfrierungen oder Folter herbeigeführte Verstümmelungen auf. Innerhalb des Lagers herrscht ein von Willkür geprägtes Bestrafungssystem. Dies wird nicht zuletzt dadurch ermöglicht, dass die Insassen der Lager nicht mehr als registrierte Bürger geführt werden, wie aus den Angaben eines ehemaligen Wärters hervorgeht.[4] Zu langsames Arbeiten und Ungehorsam werden in der Regel mit Misshandlungen und Folter bestraft,[5] Diebstahl, auch von Lebensmitteln, oder Fluchtversuche mit öffentlichen Hinrichtungen.
Daten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Internierungslager in Nordkorea |
Aufgegebene und zusammengelegte Lager
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von ursprünglich über zwölf Straflagern wurden einige zusammengelegt oder geschlossen, unter anderem das Internierungslager Onsŏng, Kwan-li-so Nr. 12, nach einem niedergeschlagenen Aufstand mit etwa 5000 Toten im Jahre 1987.[6]
Situation in jüngerer Zeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um 2009 existierten in Nordkorea vermutlich sechs Straflager, deren Größe aufgrund von Satellitenbildern ermittelt wird[7] und deren Gefangenenanzahl von ehemaligen Gefangenen geschätzt wird.[8] Die Zustände in einigen Lagern sind durch Zeugenaussagen ehemaliger Gefangener dokumentiert worden.
Liste bekannter Kwan-li-so
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fehlende Nummern ergeben sich aus der Vereinigung oder Schließung einzelner Lager.
Straflager | Provinz | Offizieller Name | Größe | Gefangene | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|
Kaech’ŏn | P’yŏngan-namdo | Kwan-li-so Nr. 14 | 155 km² | 15000 | nicht identisch mit dem Umerziehungslager Kae’chŏn |
Yodŏk | Hamgyŏng-namdo | Kwan-li-so Nr. 15 | 378 km² | 46500 | |
Hwasŏng | Hamgyŏng-pukto | Kwan-li-so Nr. 16 | 549 km² | 10000 | gelegen beim Atomwaffentestgelände P'unggye-ri |
Pukch’ang | P’yŏngan-namdo | Kwan-li-so Nr. 18 | 73 km² | 50000 | |
Haengyŏng | Hamgyŏng-pukto | Kwan-li-so Nr. 22 | 225 km² | 50000 | nicht identisch mit dem Umerziehungslager Haengyŏng bzw. Hoeryŏng, siehe Liste der Umerziehungslager |
Ch’ŏngjin | Hamgyŏng-pukto | Kwan-li-so Nr. 25 | 0,25 km² | > 3000 |
Nach einem 2013 veröffentlichten Bericht von Amnesty International setzte sich der Ausbau der Internierungslager auch unter der Regierung von Kim Jong-un weiter fort.[9]
Berichte von Gefangenen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein ehemaliger Insasse des Straflagers Nr. 15 Yodŏk ist der südkoreanische Journalist Kang Chol-hwan, der ein Buch über seine Zeit im Lager verfasste.[10] Das Schicksal eines geflohenen Sträflings von Straflager Nr. 14 Kaech'ŏn, Shin Dong-hyuk, ist ebenfalls Gegenstand eines Buches, das auch verfilmt wurde.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Political Prison Camps in North Korea Today. Database Center for North Korean Human Rights (NKDB), 2011, ISBN 978-89-93739-16-9 (englisch, Digitalisat ( vom 28. Februar 2013 im Internet Archive) [PDF; 3,6 MB] umfassende Analyse der Lager für politische Gefangene mit detaillierten Zeugenaussagen).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- David Hawk: The Hidden Gulag. Second Edition. The Lives and Voices of “Those Who are Sent to the Mountains”. (PDF; 5,2 MB) Hrsg. vom Committee for Human Rights in North Korea, 2012 (englisch, ISBN 0-615-62367-0. Darstellung der nordkoreanischen Internierungslager, mit Satellitenbildern).
- Amnesty International: North Korea: Political Prison Camps – Media Briefing. (pdf; 197 kB) 3. Mai 2011 (englisch, Lebensbedingungen in den nordkoreanischen Lagern).
- United Nations Human Rights Council: Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in the Democratic People’s Republic of Korea. In: ohchr.org. 7. Februar 2014 (englisch, französisch, spanisch, russisch, chinesisch, arabisch, koreanisch, verschiedene Dokumente, Bilder, Zeichnungen).
- Sophie Mühlmann: Kommunistische Lager: Die ausgehungerten lebenden Leichen von Nordkorea. In: welt.de. 18. Februar 2014 .
- North Korea’s Gulags. In: northkoreanow.org. 2009, archiviert vom am 10. Oktober 2009 (englisch).
- Mike Chinoy: Grim fate for N. Korean prisoners. In: CNN. 31. Oktober 2003 (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Pierre Rigoulot: Verbrechen und Terror in Nordkorea. In: igfm.de. 1998, archiviert vom am 27. April 2008; abgerufen am 21. April 2019 (Abschnitt: Gefängnisse und Lager).
- ↑ Verbannt in die Hölle. In: Der Spiegel. Nr. 25, 1995 (online – 19. Juni 1995).
- ↑ Hinrichtungen, Folter, Sklaverei: Nordkorea baut Straflager aus. In: n-tv.de. 4. Mai 2011, abgerufen am 22. September 2021.
- ↑ Report of the detailed findings of the commission of inquiry on human rights in the Democratic People’s Republic of Korea. (pdf; 3,5 MB) In: documents-dds-ny.un.org. UN-Menschenrechtsrat, 7. Februar 2014, S. 233, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. Dezember 2017; abgerufen am 29. August 2019 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ David Hawk: The Hidden Gulag. Second Edition. The Lives and Voices of “Those Who are Sent to the Mountains”. (pdf; 5,2 MB) Hrsg. vom Committee for Human Rights in North Korea, 2012, abgerufen am 22. September 2021 (englisch).
- ↑ Kang Chol-hwan: 5000 Prisoners Massacred at Onsong Concentration Camp in 1987. In: Chosun Ilbo. 11. Dezember 2021, archiviert vom am 17. Oktober 2007; abgerufen am 23. September 2021 (englisch).
- ↑ Blaine Harden: Outside World Turns Blind Eye to N. Korea’s Hard-Labor Camps. In: washingtonpost.com. 20. Juli 2009, abgerufen am 23. September 2021 (englisch).
- ↑ David Hawk: The Kwan-li-so Political Penal Labor Colonies. (pdf; 5,2 MB) In: The Hidden Gulag. Second Edition. The Lives and Voices of “Those Who are Sent to the Mountains”. Hrsg. vom Committee for Human Rights in North Korea, 2012, S. 25–82, abgerufen am 22. September 2021 (englisch).
- ↑ Nordkorea: Neue Satellitenbilder belegen: Straflager werden weiter ausgebaut. In: amnesty.ch. 5. Dezember 2013, abgerufen am 4. November 2019.
- ↑ Anne Schneppen: Nordkorea: Zehn Jahre in der Hölle. In: faz.net. 24. Juni 2003, abgerufen am 23. September 2021.