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ADB:Georg II. (Kurfürst von Hannover)

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Artikel „Georg II. (August), König von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Hannover“ von Adolf Schaumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 642–645, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_II._(Kurf%C3%BCrst_von_Hannover)&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 11:35 Uhr UTC)
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Band 8 (1878), S. 642–645 (Quelle).
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Georg II. (August), König von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Hannover, geb. am 30. October 1683, Sohn des Vorigen und der unglücklichen Prinzessin Sophie Dorothea von Celle, schon seit 1706 zum Herzog von Cambridge in der englischen Peerage und 1714 als Kronprinz zum Prinzen von Wales erkoren. Er ward im Verein mit seinem Vetter, dem späteren König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, von ihrer gemeinschaftlichen Großmutter, der Kurfürstin Sophie in Herrenhausen erzogen. Eine frühzeitige gegenseitige Abneigung, welche schon die Knaben fern hielt, hat auch später sich die Männer nicht persönlich nähern lassen. G. erhielt unter dem Herzog von Marlborough während des spanischen Erbfolgekrieges seine militärische Ausbildung, und namentlich wird bei der Geschichte des Feldzuges vom Jahre 1708 sein Name oft mit Auszeichnung genannt. Er war seit 1705 vermählt mit Wilhelmine Caroline, Tochter des Markgrafen von Ansbach. Diese geistreiche Dame war stets vom wohlthätigsten Einfluß auf ihren Gemahl. In glücklicher Ehe gebar sie ihm acht Kinder und starb nur zu früh, schon am 1. December 1737. Leider entstand – eben so wie bei seinem Vater – bald zwischen G. und seinem ältesten Sohne Friedrich ein unglückliches gespanntes Verhältniß, was nie ganz ausgeglichen worden ist. Fast wäre zwischen ihm und dem König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ein Krieg ausgebrochen, veranlaßt durch Werbungen des Letzteren in hannoverschen Landen, welche im Geiste damaliger Zeit nicht ohne räuberische Gewaltthätigkeiten und Ungerechtigkeiten abgingen. Nicht allein, daß G. am 14. December 1731 ein Edikt erließ gegen „die preußischen und fremden Werbers“; er zog vielmehr zum Schutze seiner Unterthanen ein Heer an den Ufern der Elbe zusammen, wogegen Friedrich Wilhelm I. 40000 Mann [643] zu Magdeburg schlagfertig hielt. Die Herzöge von Gotha und Braunschweig vermittelten jedoch klüglich die Versöhnung der gereizten Monarchen. Von Bremen erwarb G. gegen Abtretung des Flecken Vegesack das Amt Blumenthal und das Gericht Neuenkirchen. Der Stader Vergleich vom 23. August 1741 bestätigte später diesen Tausch. Während die allgemeinen politischen Verhältnisse bis jetzt sich ziemlich friedlich geordnet hatten, drohten die Ereignisse seit dem J. 1740 verwickelter und kriegerischer zu werden. Indem bei dem bevorstehenden Aussterben des habsburgischen Mannsstammes Kaiser Karl VI. durch die sogenannte pragmatische Sanction seiner Tochter Maria Theresia die Nachfolge in seinen Landen zu sichern wünschte, suchte er allenthalben die europäischen Mächte für diese Anordnung zu gewinnen. G. hatte schon 1731 als Kurfürst von Hannover seine Zustimmung zu dieser Anordnung gegeben. Nach dem Tode Karls VI. trat zunächst der Kurfürst Albrecht von Baiern als Gemahl einer Tochter Joseph I. als Prätendent und Erbe auf, während gleichzeitig Friedrich II. von Preußen seine schlesischen Kriege gegen Oesterreich begann. Auch Frankreich und Spanien standen auf Albrechts Seite. G. seiner Zusage treu ergriff für Maria Theresia die Waffen. Sein Sieg bei Dettingen, den er am 27. Juni 1743 hauptsächlich mit hannoverschen und Reichstruppen gegen die in Deutschland eingedrungenen Franzosen erfocht, war von großer Bedeutung; der Hauptkrieg spielte sich später in die österreichischen Niederlande hinüber, wo er von Hannoveranern, Holländern und Oesterreichern nicht eben glücklich gegen Frankreich geführt wurde, bis er am 18. October 1748 mit Anerkennung der pragmatischen Sanction durch den Frieden von Aachen beendigt wurde. Noch während dieses Krieges war der junge Stuart Karl Eduard, Sohn Jacob III., in Schottland erschienen. Sofort fielen ihm die für die alte Dynastie begeisterten Einwohner zu und proklamirten ihn als ihren König. Schnell war Edinburg eingenommen; mit einem gesammelten Heere brach der Prätendent in England ein, wo er nach mehreren kleinen Siegen sogar Manchester einnahm. G. begab sich auf der Stelle von Holland nach England, um die geeigneten Maßregeln gegen diesen gefährlichen Aufstand zu treffen. In der Schlacht bei Culloden, 27. April 1746, ward das Heer der Schotten durch den Herzog von Cumberland, zweiten Sohn des Königs, vernichtet und damit die stuartischen Anstrengungen, dem Hause Hannover die Krone streitig zu machen, für alle Zeiten beseitigt. Nur zu blutig ward nach dem Siege die Bewegung unterdrückt. Der Prätendent, nach Hochschottland fliehend, wo er seine begeistertsten Anhänger hatte, fand, verfolgt und verfehmt durch eine Prämie von 30000 Pfund Sterling, welche auf seinen Kopf gesetzt war, oft in Höhlen verborgen und unter den abenteuerlichsten Verkleidungen Schutz, bis endlich ihn ein französisches Schiff nach Frankreich zurückführte. Zu gleicher Zeit ward das zur Erledigung gekommene Fürstenthum Ostfriesland ein neuer Zankapfel zwischen Hannover und Preußen. Das alte Haus der Cirksena war am 26. März 1744 mit dem Fürsten Karl Edzard erloschen. Schon sein Großvater Christian Eberhard hatte am 22. März 1691 mit seinem Nachbar, dem Kurfürsten von Hannover, einen Erbvergleich dahin geschlossen, daß nach dem Aussterben der ostfriesischen Fürsten deren Land an Hannover, dagegen bei Aussterben des Hauses Hannover die Grafschaften Hoya und Diepholz als Erbe an die friesischen Fürsten fallen sollten. Dagegen hatte der nachmalige König Friedrich I. von Preußen am 10. December 1694 vom Kaiser Leopold einen Expektanzbrief auf Belehnung mit Ostfriesland nach Aussterben des dortigen Fürstenhauses erhalten. Hierauf gestützt, nahm nach Eintritt dieses Ereignisses Friedrich II. schnell vom Lande Besitz. Alle Protestationen und Berufungen auf Rechte älteren Datums von Seiten Hannovers halfen nichts; Preußen blieb vorerst im Besitz seiner Erwerbung. Nach längeren ruhigen Jahren [644] ward G. seit 1756 zur Theilnahme an dem siebenjährigen Kriege bewogen. Ein Ansuchen nämlich von seiner Seite an die Kaiserin Maria Theresia für alle Fälle eine Garantie für die Integrität seiner deutschen Lande zu übernehmen, ward abgelehnt; dagegen übernahm Friedrich II. im Vertrage von Westminster am 16. Januar 1756 bereitwillig eine solche. Damit war auch zugleich die Bundesgenossenschaft Englands und Preußens in dem ausbrechenden Kriege ausgesprochen, um so mehr, da auch dem auf Oesterreichs Seite stehenden Frankreich aus verschiedenen Ursachen von Seiten Englands der Krieg erklärt worden war. Der Herzog von Cumberland ward an die Spitze eines 40000 Mann starken, aus Hannoveranern, Hessen, Braunschweigern und Gothanern bestehenden Heeres gestellt; allein besiegt am 26. Juli 1757 bei Hastenbek vom französischen Marschall d’Estrées, schloß er am 8. September die schimpfliche Capitulation von Kloster-Zeven ab, laut welcher das ganze Bundesheer hätte aufgelöst werden müssen. Jedoch G. genehmigte dieselbe nicht; das Heer bekam vielmehr in dem Herzog Ferdinand von Braunschweig (s. o.) einen fähigeren Anführer, und die Feindseligkeiten begannen von Neuem, und zwar mit so glücklichem Erfolge, daß das nordwestliche Deutschland bald von den Franzosen befreit wurde. Noch während der wechselnden Erfolge der ersten Jahre des großen Krieges starb G. am 25. October 1760 in seinem Palast von Kensington. G. war kein Mann von hoher geistiger Begabung und hervorragenden Regierungsfähigkeiten, wol aber hatte er einen klaren gesunden Menschenverstand und Sinn und Verständniß für alles Praktische. So konnte es sehr wohl sein, daß England während seiner langen Regierung drei glückliche Decennien durchlief. Eben jener praktische Sinn ließ ihn in Sir Robert Walpole († 1755) den rechten Mann finden, der während einer langen Ministerzeit die Macht und den Reichthum Englands durch vernünftige Verwaltung der Finanzen auf eine bedeutende Höhe hob. Freilich mochte unter einem Manne, wie dieser war, der von Menschen überhaupt keine bessere Idee hatte, als daß Jeder um einen gewissen Preis käuflich sei, manches der Moral Widersprechende in der Verwaltung mit unterlaufen, indeß im Ganzen hat sich England nicht schlecht bei solcher Philosophie gestanden. Bei dem eigenwilligen, eigensinnigen Charakter des Königs, der gern widersprach, aber von Anderen keinen Widerspruch leiden konnte, mußte Walpole klüglich alle Vorschläge so einrichten, daß es schien, als gingen sie aus der Initiative des Königs hervor. Die Königin unterstützte dann den Minister dabei auf bewundernswürdig kluge Weise. Im gewöhnlichen Leben war G. der größte Pedant. Nach Stunden, ja nach Minuten war die ohne Veränderung täglich wiederkehrende Uhr der Lebensordnung abgemessen. In Kleinigkeiten war dies stets lächerlich; allein da die Regierungszeit eben so fest und ohne Unterbrechung ihr zugeschriebenes Pensum in Anspruch nahm, so ward diese Eigenthümlichkeit des Königs nur eine Wohlthat für das Land. Fast noch größer wie bei seinem Vater war die liebevolle Anhänglichkeit an das Land seiner Geburt. War er ermüdet von seinen englischen Geschäften und dem Kampf mit dem Parlament, langweilte ihn die Gesellschaft in London, so war eine Reise nach dem Continent seine liebste Erholung. Vom Jahre 1728–55 sind nicht weniger als zwölf Reisen in seine hannoverschen Staaten unternommen, von denen er stets wie neubelebt zurückkehrte. Auf die Erledigung der hannoverschen Angelegenheiten, die vom Könige direkt im Vereine mit den dortigen Ministern ausging, hatten solche Reisen den wohlthätigsten Einfluß. Alles erhielt sich in frischem Leben und bei solcher Theilnahme des Königs konnte nichts einschlafen, wie dies leider unter der folgenden Regierung nur zu bald geschah. – Auch dieser König hatte seine Maitressen, denen jedoch in keiner Beziehung ein verderblicher Eingriff in den Gang der Staatsgeschäfte gestattet war. Dieser Umstand hatte aber auf das [645] innige Verhältniß mit seiner Gemahlin keinen Einfluß, um so weniger, da diese geistreiche[WS 1] und kluge Frau das in den Zeitverhältnissen liegende Unvermeidliche mit Ruhe und ohne zänkische Eifersucht aufnahm und resignirt ertrug. G. verehrte daher auch förmlich seine Gemahlin und that nach keiner Seite hin Wichtiges, ohne sie vorher zu hören. Als sie auf ihrem letzten Krankenlager dem Tode entgegensah, wich der König nicht von ihrer Seite; man erzählt, daß, als sie ihn bat, sich wieder zu verheirathen, er besorgt und in vollem Bewußtsein der Unersetzlichkeit dessen, was er verlieren sollte, im höchsten Schmerz ausgerufen habe: Jamais, jamais, je n’aurais que des maitresses! Des traurigen Verhältnisses zwischen G. und seinem ältesten Sohne und muthmaßlichen Thronfolger Friedrich Ludwig, Prinz von Wales, geb. am 13. Juni 1707 zu Hannover, ist schon gedacht. Im J. 1725 für volljährig erklärt ward er, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Herrenhausen, zur Theilnahme an der kurfürstlichen Regierung in Hannover zugelassen. Eine Liebe zur Prinzessin Wilhelmine von Preußen, Schwester Friedrich II., ward bei der Abneigung des Vaters gegen Preußen nicht gutgeheißen und ihr entschieden entgegen getreten. Dies hat der Sohn dem Vater nie vergessen und die persönliche Verstimmung zwischen Beiden ist nie ganz wieder beigelegt. Zwar vermählte sich später, 1736, Friedrich auf Wunsch seines Vaters mit Auguste, Prinzessin von Gotha, aber die Weigerung desselben, nunmehr das Einkommen des Sohnes bis auf eine standesmäßige Höhe zu vermehren, schürte das Feuer noch mehr an. Eine abermalige Versöhnung im J. 1741 war nur scheinbar und als der Kronprinz 9 Jahre darauf am 20. Mai 1751 starb, war der Unfriede noch eben so wenig beigelegt als am Tage seines Entstehens. Ein so durchaus nüchterner und praktischer Charakter wie der Georgs, der weder von Gefühlen noch von irgend einer Art des Idealismus beherrscht war, konnte wenig Sinn für Kunst und Wissenschaft haben. Jedoch war er auf der anderen Seite wiederum gerade in der Hinsicht praktisch genug einzusehen, welchen Nutzen beide für den Staat haben können. Er gehörte daher nicht zu den Monarchen seiner Zeit, welche Kunst und Wissenschaft verachteten, ja sie sogar lächerlich machten, nur aus dem Grunde, weil sie selbst kein Verständniß dafür hatten. Beweis dafür sind zwei Stiftungen, die unter seiner Regierung entstanden. Zunächst das in London 1753 errichtete brittische Museum, ein Institut, was von keinem gleichen in der Welt übertroffen wird; sodann in seinen hannoverschen Staaten die hauptsächlich nach den Vorschlägen des Ministers Gerlach Adolph v. Münchhausen gestiftete Universität Göttingen – nach ihrem Stifter Georgia Augusta genannt. Schon seit dem J. 1730 begannen die Verhandlungen dieserhalb; 1734 konnte die eigentliche Stiftung und am 17. Sept. 1737 die förmliche Einweihung erfolgen. Die Societät der Wissenschaften ward 1750, auch noch bei Lebzeiten Georgs gegründet. Auf dem großen allgemeinen Felde der Wissenschaft ist wol kein, auch nicht der geringste Zweig, der dieser großartigen Stiftung nicht praktische und dauernde Erfolge zu verdanken gehabt hätte!


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: geistriche