Corynebacterium

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Corynebacterium

Corynebacterium diphtheriae

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Actinobacteria
Ordnung: Actinomycetales
Unterordnung: Corynebacterineae
Familie: Corynebacteriaceae
Gattung: Corynebacterium
Wissenschaftlicher Name
Corynebacterium
Lehmann & Neumann 1896

Corynebacterium (von griechisch κορύνη korýnē, deutsch ‚Keule‘) ist eine Gattung aerob bis fakultativ anaerob lebender, grampositiver Bakterien mit hohem GC-Gehalt. Die Vertreter sind zwischen 3 und 5 μm lang, bilden keine Sporen und sind unbeweglich. Corynebakterien gehören in die CMNR-Gruppe, wie auch Mycobakterium, Nocardia und Rhodococcus. Diese Gruppe zeichnet ein hoher GC-Gehalt im Genom aus, sowie Mykolsäuren, Arabinogalactan und Peptidoglycan in ihrer Zellmembran.

Die Gattung ist vielfältig; einige Vertreter sind für den Menschen oder Tiere pathogen. Andere sind Saprophyten und leben auf verfaulenden Pflanzenresten. Einige Arten kommen häufig in der Schleimhautflora und auf der Haut des Menschen vor.

Merkmale und Nachweis

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Eine Besonderheit der Zellwand, die als Kennzeichen für das Corynebacterium dient, sind die in ihr enthaltenen meso-2,6-Diaminopimelinsäuren, die Zucker Galactose und Arabinose und die Mykolsäuren. Im Zellplasma sind anfärbbare Körnchen, sogenannte Polkörnchen zu finden, die Polyphosphate enthalten. Sie werden durch die Neisser-Färbung nachgewiesen. Das Bakterium erscheint danach gelbgefärbt mit dunklen Polkörnchen am Zellende. Die Bakterien lassen sich auf Blutagar kultivieren, das für die Identifizierung von Infektionskrankheiten wichtige Enzym Katalase ist vorhanden. Eine Unterscheidung der verschiedenen Arten kann durch den Nachweis verschiedener Stoffwechselreaktionen erfolgen. Die Anwesenheit des Enzyms Urease zum Harnstoffabbau, der Cystinabbau, Nitratreduktion, Glukosevergärung und Saccharose dienen als Kriterien.

Zellform und Zellteilung

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Die Zellen der Corynebakterien haben meist eine charakteristische Keulenform. Die Form entsteht durch ein geschwollenes Ende der Zelle. Diese Zellmorphologie war auch namengebend (koryne ist altgriechisch und bedeutet "Keule"). Allgemein bezeichnet man Bakterien, deren Zellen an einem Ende keulenartig verdickt sind, als "Coryneforme". Corynebacterium ist pleomorph, während des Wachstums kann die Form zwischen stäbchenförmig und kokkoid wechseln.

Oft bleiben Zellen nach der Teilung miteinander verbunden, sie erscheinen unter dem Mikroskop in V-Form. Dies entsteht durch die sogenannte postfisionäre Schnappbewegung (englisch: Snapping Postfission Movements), oder einfach Schnappteilung (Snapping Division). Die Zellwand besteht bei Corynebakterien aus zwei Schichten, nur die innere nimmt an der Zellteilung teil, die äußere umrundet danach die beiden Tochterzellen. Kurz nach der Teilung reißt die äußere an einer begrenzten Stelle ein. Die beiden Zellen bewegen sich dann von der Seite, an der die Zerreißung stattfand fort, sie schnappen auseinander und bilden nun die markante V-Form.

Pathogene Vertreter der Corynebakterien wie Corynebacterium diphtheriae können, wenn sie durch einen bestimmten Bakteriophagen infiziert sind, Diphtherie auslösen.[1][2]

Dabei wird das sogenannte tox Gen, von Corynebakteriophagen auf potentiell pathogene Vertreter übertragen und in deren Genom integriert. Das tox Gen kodiert für das Diphtherietoxin, welches im Zytoplasma der eukaryontischen Wirtszelle die Proteinbiosynthese hemmt (inhibiert) und so die menschlichen Zelle abtötet. Ist das Bakterium nicht von diesem Bakteriophagen befallen, kann es zu keiner klassischen Diphtherieerkrankung kommen. Auch einige Stämme des nah verwandten Corynebacterium ulcerans sind in der Lage, Symptome einer Diphtherie auszulösen.[3]

Eine wichtige apathogene Corynebakterienvariante ist Corynebacterium glutamicum, welche als Modellorganismus für die Untersuchung anderer pathogener Vertreter genutzt wird. Für die Industrie ist diese u. a. als Erzeuger der Glutaminsäure wichtig.

Das in der Regel multiresistente grampositive Stäbchen Corynebacterium jeikeium ist ein Hautkeim und Schleimhautbesiedler beim Menschen. Es kann nosokomiale Wundinfektionen, Bakteriämie und Endokarditis verursachen. Infektionen damit können mit Fremdmaterialien wie künstlichen Shunts und Prothesen assoziiert sein. Die antibiotische Therapie erfolgt mit Vancomycin oder Rifampicin, alternativ auch mit Teicoplanin oder Aminoglykosiden.[4]

Die Corynebakterien zählen zu den Actinobacteria, eine Gruppe von grampositiven Bakterien.

Einige Arten[5]:

Corynebacterium ulcerans-Kolonien auf einer Platte mit Blutagar

Corynebacterium equi (Magnusson 1923) syn. Corynebacterium purulentus wird nach vorherrschender Ansicht zu Rhodococcus equi verschoben.

In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis von Toxin-bildenden Corynebacteria namentlich meldepflichtig nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes, soweit der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist.

In der Schweiz ist ein positiver laboranalytischer Befund (oder ein negativer Befund bei Test auf Toxin-Gen) zum Erreger Corynebacterium diphtheriae und anderer toxinbildende Corynebakterien (C. ulcerans, C. pseudo-tuberculosis) meldepflichtig und zwar nach dem Epidemiengesetz (EpG) in Verbindung mit der Epidemienverordnung und Anhang 3 der Verordnung des EDI über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen.

Commons: Corynebacterium – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikispecies: Corynebacterium – Artenverzeichnis

Einzelnachweise

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  1. SIB: Viral exotoxin. Expasy: ViralZone. Accessed 2 Feb 2021
  2. J. J. Costa, J. L. Michel, R. Rappuoli, J. R. Murphy: Restriction map of corynebacteriophages beta c and beta vir and physical localization of the diphtheria tox operon. In: Journal of Bacteriology. 148. Jahrgang, Nr. 1, 1981, S. 124–130, doi:10.1128/JB.148.1.124-130.1981, PMID 6270058, PMC 216174 (freier Volltext) – (englisch).
  3. Wagner et al.: Diphtheria in the United Kingdom, 1986-2008: the increasing role of Corynebacterium ulcerans. Epidemiol Infect. 2010;138, S. 1519–1530
  4. Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 262.
  5. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 27. April 2019.
  6. Qinyang Li, Fangjie Zhou, Zhifei Su, Yuqing Li, Jiyao Li. Corynebacterium matruchotii: A Confirmed Calcifying Bacterium With a Potentially Important Role in the Supragingival Plaque. In: Frontiers in Microbiolology, Band 13, 6. Juli 2022; S. 940643; doi:10.3389/fmicb.2022.940643, PMC 9298747 (freier Volltext), PMID 35875585 (englisch).
  7. Scott Chimileski et al.: Tip extension and simultaneous multiple fission in a filamentous bacterium. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024 (englisch). Dazu: