Internationale Filmfestspiele von Cannes/Großer Preis der Jury

Der Große Preis der Jury (Grand Prix du Jury bzw. Grand Prix) honoriert bei den jährlich veranstalteten Filmfestspielen von Cannes den originellsten Wettbewerbsfilm (Langfilm) beziehungsweise jenen, der den größten Forschergeist aufweist. Die zweitwichtigste Auszeichnung nach der Goldenen Palme wurde erstmals als Grand Prix Spécial du Jury bei der dreizehnten Auflage des Filmfestivals im Jahr 1967 verliehen und ersetzte den bis dahin vergebenen Prix spécial du Jury. Seit 1990 wird der Preis gemeinhin als Grand Prix bezeichnet.[1] Über die Vergabe des Preises, der dem Gewinner in Form einer Urkunde überreicht wird, stimmt die Wettbewerbsjury ab, die sich meist aus internationalen Filmschaffenden zusammensetzt.

Co-Preisträger 2021: Asghar Farhadi für A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

Preisträger

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Am häufigsten mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurden die Werke französischer und italienischer Filmregisseure (je 10 Ehrungen), gefolgt von ihren Kollegen aus den USA (6) und Großbritannien (4). Je zwei Auszeichnungen erhielten der sowjetische Regisseur Andrei Tarkowski (1972 und 1986), der Franzose Bruno Dumont (1999 und 2006), der Türke Nuri Bilge Ceylan (2003 und 2011) sowie der Italiener Matteo Garrone (2008 und 2012).

Mehrfach in der Vergangenheit konnte sich die Jury nicht auf einen Sieger einigen. Filmregisseure aus dem deutschsprachigen Kino waren erstmals 1975 erfolgreich, als sich Werner Herzog (Jeder für sich und Gott gegen alle) gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte. Ihm folgte Wim Wenders, der 1993 für In weiter Ferne, so nah! ausgezeichnet wurde. Einen kleinen Skandal gab es bei der Verleihung 1995, als der Grieche Theo Angelopoulos (Der Blick des Odysseus) den Preis mit den Worten „Wenn es das ist, was Ihr mir zu geben habt, habe ich nichts zu sagen“[2] enttäuscht entgegennahm und die Bühne verließ und die Goldene Palme an Emir Kusturica (Underground) vergeben wurde. Drei Jahre später sollte Angelopoulos die Goldene Palme für seinen Film Die Ewigkeit und ein Tag (1998) erhalten.

In der Vergangenheit hatten Jurys die Möglichkeit, den Grand Prix mit weiteren Auszeichnungen zu kombinieren. Dies geschah zuletzt im Jahr 2003, als der türkische Beitrag Uzak – Weit auch den Darstellerpreis für die Schauspieler Muzaffer Özdemir und Mehmet Emin Toprak zugesprochen bekam. Mittlerweile untersagt das Reglement, dass der Große Preis der Jury (ebenso wie die Goldene Palme und der Regiepreis) mit weiteren Auszeichnungen kumuliert werden kann. Dieser Umstand wurde wiederholt kritisiert, zuletzt im Jahr 2012, als der Jurypräsident Nanni Moretti in der abschließenden Pressekonferenz zugab, dass er dem Goldene-Palme-Gewinner Liebe von Michael Haneke ohne Reglement auch den Darsteller- und Drehbuchpreis zuerkannt hätte.[3]

Jahr Originaltitel Deutscher Titel Regie
1967 Accident Accident – Zwischenfall in Oxford Joseph Losey
Skupljaci perja Ich traf sogar glückliche Zigeuner Aleksandar Petrovic
1968 Filmfestspiele aufgrund der Mai-Unruhen abgebrochen.
1969 Ådalen ’31 Adalen 31 Bo Widerberg
1970 Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger Elio Petri
1971 Johnny Got His Gun Johnny zieht in den Krieg Dalton Trumbo
Taking Off Taking Off Miloš Forman
1972 Солярис (Soljaris) Solaris Andrei Tarkowski
1973 La maman et la putain Die Mama und die Hure Jean Eustache
1974 Il fiore delle mille e una notte Erotische Geschichten aus 1001 Nacht Pier Paolo Pasolini
1975 Jeder für sich und Gott gegen alle Jeder für sich und Gott gegen alle Werner Herzog
1976 Cría cuervos Züchte Raben… Carlos Saura
La Marquise d’O… Die Marquise von O. Éric Rohmer
1977 Preis nicht vergeben
1978 Ciao maschio Affentraum Marco Ferreri
The Shout Der Todesschrei Jerzy Skolimowski
1979 Сибириада (Sibiriada) Sibiriade Andrei Kontschalowski
1980 Mon oncle d’Amérique Mein Onkel aus Amerika Alain Resnais
1981 Les années lumières Lichtjahre entfernt Alain Tanner
1982 La notte di San Lorenzo Die Nacht von San Lorenzo Paolo Taviani
Vittorio Taviani
1983 The Meaning of Life Monty Python’s – Der Sinn des Lebens Terry Jones
1984 Napló gyermekeimnek Tagebuch meiner Kindheit Márta Mészáros
1985 Birdy Birdy Alan Parker
1986 Offret Opfer Andrei Tarkowski
1987 მონანიება (Monanieba) Die Reue Tengis Abuladse
1988 A World Apart Zwei Welten Chris Menges
1989 Nuovo cinema Paradiso Cinema Paradiso Giuseppe Tornatore
Trop belle pour toi Zu schön für Dich Bertrand Blier
1990 死の棘 (Shi no toge) Stachel des Todes Kōhei Oguri
Tilaï Tilaï Idrissa Ouédraogo
1991 La belle noiseuse Die schöne Querulantin Jacques Rivette
1992 Il ladro di bambini Gestohlene Kinder Gianni Amelio
1993 In weiter Ferne, so nah! In weiter Ferne, so nah! Wim Wenders
1994 活着 (Huozhe) Leben! Zhang Yimou
Утомлённые солнцем (Utomljonnyje solnzem) Die Sonne, die uns täuscht Nikita Michalkow
1995 To Βλέμμα του Οδυσσέα (To Vlemma tou Odyssea) Der Blick des Odysseus Theo Angelopoulos
1996 Breaking the Waves Breaking the Waves Lars von Trier
1997 The Sweet Hereafter Das süße Jenseits Atom Egoyan
1998 La vita è bella Das Leben ist schön Roberto Benigni
1999 L’humanité L’Humanité Bruno Dumont
2000 鬼子来了 (Guizi lai le) Guizi Lai Le Jiang Wen
2001 La pianiste Die Klavierspielerin Michael Haneke
2002 Mies vailla menneisyyttä Der Mann ohne Vergangenheit Aki Kaurismäki
2003 Uzak Uzak – Weit Nuri Bilge Ceylan
2004 올드보이 (Oldeuboi) Oldboy Park Chan-wook
2005 Broken Flowers Broken Flowers Jim Jarmusch
2006 Flandres Flandern Bruno Dumont
2007 殯の森 (Mogari no mori) Der Wald der Trauer Naomi Kawase
2008 Gomorra Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra Matteo Garrone
2009 Un prophète Ein Prophet Jacques Audiard
2010 Des hommes et des dieux Von Menschen und Göttern Xavier Beauvois
2011 Bir Zamanlar Anadolu’da Once Upon a Time in Anatolia Nuri Bilge Ceylan
Le gamin au vélo Der Junge mit dem Fahrrad Jean-Pierre Dardenne
Luc Dardenne
2012 Reality Reality Matteo Garrone
2013 Inside Llewyn Davis Inside Llewyn Davis Ethan Coen
Joel Coen
2014 Le meraviglie Land der Wunder Alice Rohrwacher
2015 Saul fia Son of Saul László Nemes
2016 Juste la fin du monde Einfach das Ende der Welt Xavier Dolan
2017 120 battements par minute 120 BPM Robin Campillo
2018 BlacKkKlansman BlacKkKlansman Spike Lee
2019 Atlantique Atlantique Mati Diop
2020 Filmfestspiele aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht veranstaltet.
2021 قهرمان (Ghahreman) A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani Asghar Farhadi
Hytti nro 6 Abteil Nr. 6 Juho Kuosmanen
2022 Close Close Lukas Dhont
Stars at Noon Stars at Noon Claire Denis
2023 The Zone of Interest The Zone of Interest Jonathan Glazer
2024 All We Imagine as Light[4] k. A. Payal Kapadia

Einzelnachweise

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  1. Le Palmarès 1990 bei festival-cannes.fr (französisch; abgerufen am 21. Mai 2009).
  2. Profil der Filmfestspiele von 1995 bei imdb.com (englisch).
  3. Video-Aufzeichnung der abschließenden Pressekonferenz der Jury (Memento des Originals vom 10. Februar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.festival-cannes.fr vom 27. Mai 2012 bei festival-cannes.fr, 19:10 min ff. (Italienisch/Französisch/Englisch mit französischer und englischer Übersetzung; abgerufen am 28. Mai 2012).
  4. ‘Anora’ Wins the Palme d’Or at Cannes (Complete Winners List). In: indiewire.com, 25. Mai 2024 (abgerufen am 25. Mai 2024).