Reichsadler

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Reichsadler nennt man den Adler derjenigen Staatsgebilde, die sich durch das Adlersymbol auf eine Reichsidee beziehen und – mittelbar oder unmittelbar – an die Tradition des Römischen Reiches anknüpfen oder diesen Anspruch verfolgen.

Das ganze Mittelalter über, insbesondere im Heiligen Römischen Reich, bis in das 20. Jahrhundert war der Adler das Sinnbild für die – aus römischer Tradition übernommene – kaiserliche Amts- und Befehlsgewalt. Die Weimarer Republik genauso wie die Erste Republik Österreichs führten den Reichsadler als republikanisches Hoheitszeichen fort, in Österreich seit 1920 als Bundesadler, nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls als Bundesadler.

Herkunft und Bedeutung: spätrömische Adler

Römischer Adler (Aquila) neben dem Augustusprofil auf dem antiken Augustus-Kameo im Lotharkreuz
Adler als Jupitersymbol auf dem Feldzeichen römischer Legionen, Abbildung aus Meyers Konversations-Lexikon, 1888

Wie einige andere europäische Wappenadler leitet sich der Reichsadler aus den römischen Feldzeichen, den Aquilæ, ab. Er bezieht sich in dieser Traditionslinie auf die herrschaftliche Befehlsgewalt als solche, das Imperium, und nicht auf die Person oder die Dynastie des Herrschers, denn die kaiserzeitlichen römischen Caesaren führten den Adler nicht als persönliches oder dynastisches Emblem. Daneben ist der Doppeladler im kleinasiatischen Raum aber als dynastisches Zeichen seit dem 4. Jahrhundert verbreitet. Die späten Herrschergeschlechter Ostroms nutzten hierzu den Adler sowie den Doppeladler. Vermutlich steht der Adler daher nach vormittelalterlich-oströmischer Sichtweise nicht als territoriales Zeichen, sondern als ein Symbol für ein Herrschergeschlecht.[1] Nach mittelalterlich-heraldischer Lesart aber steht der Adler primär für ein Territorium und die herrschaftliche Befehlsgewalt über dieses. Anknüpfend an die Ikonografie der Kaiser Ostroms wurde der Adler – zuerst mit einem Kopf, später allgemein zweiköpfig – europaweit zum Emblem der kaiserlichen Würde und Stellung, des Kaisertums, eine Identifikation mit den Dynastien selbst ist seltener und erscheint ausgeprägt erst wieder im Kaisertum Österreich.[2]

Das Frankenreich übernahm – neben anderen antiken Symbolen – den römischen Adler als Herrschaftszeichen, um legitimatorisch an das Römische Reich anzuknüpfen und das fränkische Kaisertum als lineare Fortsetzung des römischen Kaisertums darzustellen. Diese Translatio imperii drückt sich in dem (nicht erhaltenen) Adler auf dem Aachener Palast Karls des Großen ebenso aus wie in dem römischen Adler auf dem antiken Kameo, der um das Jahr 1000 wohl im Auftrag Kaiser Ottos III. in das Zentrum des Lotharkreuzes eingearbeitet wurde. Der Reichsadler fällt aufgrund seiner Festlegung als karolingisches Hoheitszeichen in den Kontext der karolingischen Renaissance und ihrer vielfältigen Bestrebungen, in Form und Geist an die Spätantike und deren römisches Kaisertum anzuknüpfen. Dieser Tradition schlossen sich später auch die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs an, insbesondere Otto III., dessen entsprechende Bestrebungen mit dem Ausdruck Restauratio imperii bezeichnet werden.

Reichsadler des Heiligen Römischen Reiches

Reichsadler auf einer Augustale Friedrichs II. aus der Münze von Messina, nach 1231
Reichsadler auf der Adlerdalmatika, um 1330
Reichsadler auf der Karlsbüste des Aachener Domschatzes, vermutlich nach 1349 entstanden

Die erste heraldische Darstellung des Reichsadlers findet sich auf einer Münze Friedrich Barbarossas aus den Jahren 1172 bis 1190, wenige Jahrzehnte nach dem Investiturstreit und just in jener Zeit, in der der Kaiser und seine Kanzlei damit begonnen hatten, die Konzepte des Honor Imperii sowie des Sacrum Imperium einzuführen und damit die Würde, Legitimität und Macht des Kaisertums und des Reichs in Bezug auf das Papsttum, den Adel und die Städte neu zu betonen. Die erste farbige Wiedergabe des Reichsadlers (schwarz in goldenem Feld) ist unter Kaiser Otto IV. (1198–1218) historisch greifbar. Schon um 1270 erscheint der Adler im Siegel der Reichsstadt Kaiserswerth[3] – von dort gewinnt er im Sinne der Staatsidee der Renovatio imperii seine Rolle als königlich-kaiserliches Emblem und Wappentier auf Reichssturmfahne und Reichsbanner des Heiligen Römischen Reiches, und damit zum Symbol des Heiligen Römischen Reiches.[2] Besonders bei Ottos Nachfolger Friedrich II. hatten kaiserliche Symbole, die wie der Adler an die Insignien und Ikonografien der spätantiken Kaiser anknüpfen, eine hohe Bedeutung für die Vermittlung seiner Kaiser- und Reichsidee.

Der Doppeladler geht auf Kaiser Sigismund und das Jahr 1433 zurück – in einer Übergangsphase symbolisiert der einfache Adler den römisch-deutschen König, der doppelköpfige den Kaiser. Außerdem dient er auf dem Reichsbanner als Bild, und knüpft damit an die gegen die islamisch-arabische Expansion gerichtete Tradition des Doppeladlers Ostroms an.[4]

Er wurde bald darauf als Quaternionenadler mit einer Auswahl an Wappen der Reichsstände (Quaternionen der Reichsverfassung) auf den Flügeln belegt. Dieser Adler trägt das Kruzifix auf der Brust, wenn er das Reich, und das Hauswappen des Herrschers, wenn er den römisch-deutschen Kaiser symbolisiert.[5]

Der Adler galt sowohl als kaiserliches Symbol wie auch als Symbol des Reiches. Die Verwendung eines Adlers war daher auch immer ein Bekenntnis zu Kaiser und Reich und wurde von den römisch-deutschen Kaisern oft auch verliehen. So sind Adlerwappen typisch für viele freie Reichsstädte, die Wert auf ihre Reichsunmittelbarkeit legten und sich keinem Territorialherrn unterwerfen wollten, und finden sich auch in Zunftwappen und anderem (vgl. Sonstige Verwendung des Doppeladlers).

Als Zeichen dafür, dass sich die Alte Eidgenossenschaft noch nicht gänzlich vom Römisch-Deutschen Reich gelöst hatte, ließen die Städte Zürich, Zug, Bern, Solothurn und Schaffhausen noch lange Zeit zum Zeichen der von ihren anerkannten Reichshoheit den Reichsadler auf ihre Taler prägen.[6] Genf führt bis heute den Reichsadler in seinem Wappen.

Adler des russischen Kaiserreiches

Das Zarentum Russland und später das Russische Reich übernahmen mit dem kaiserlichen Doppeladler „das dritte Rom“ ab 1487. Ob es sich um eine direkte Übernahme oder aber vielleicht um ein Ehewappen von Ivan III. mit Sofia Palaiologa handelt, oder es über einen anderen Weg gewählt wurde, ist unklar.[7] Er findet sich heute im Staatswappen der Russischen Föderation wieder.

Reichsadler nach Ende des Heiligen Römischen Reiches

Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 ging der Adler über auf:

Auch für Napoleon I. und Napoleon III. war der Napoleonische Adler in Übernahme der päpstlich zugesicherten Nachfolge der römischen Cäsarenmacht Kennzeichnungssymbol der Heere.

Reichsadler in der Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurde der Reichsadler des Deutschen Reiches – mit einem vollkommen anderen Erscheinungsbild als die kaiserlichen Adler – meist mit dem Hakenkreuz in einem Eichenkranz dargestellt.

Reichsadler und Parteiadler

Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenkranz als Hoheitszeichen des Reiches (1935–1945)

Die Nationalsozialisten übernahmen 1933 den Reichsadler der Weimarer Republik und modifizierten ihn, indem sie ihn mit ihrem Parteisymbol des Hakenkreuzes und einem Eichenkranz ergänzten. Bereits am 17. Februar 1934 wurde in einer Verordnung des Reichspräsidenten von Hindenburg das Hoheitszeichen der NSDAP bei der Wehrmacht (damals noch Reichswehr) eingeführt. Getragen wurde dieser Wehrmachtsadler auf Uniformrock bzw. -bluse (z. B. bei Wehrmachthelferinnen), am Deckel von Schirm- oder Feldmütze sowie am Stahlhelm. So wurde es auch in der Anzugsordnung für das Reichsheer vom 14. November 1934 geregelt.

Verordnungen über das „Hoheitszeichen des Reiches“ und seine Gestaltung von 1935 bzw. 1936.[9]

In Hitlers Verordnung über das Hoheitszeichen des Reichs vom 5. November 1935 heißt es:

„Um der Einheit von Partei und Staat auch in ihren Sinnbildern Ausdruck zu verleihen, bestimme ich:

  • Artikel 1: Das Reich führt als Sinnbild seiner Hoheit das Hoheitszeichen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.
  • Artikel 2: Die Hoheitszeichen der Wehrmacht bleiben unberührt.
  • Artikel 3: Die Bekanntmachung, betreffend das Reichswappen und den Reichsadler, vom 11. November 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1877) wird aufgehoben.
  • Artikel 4: Der Reichsminister des Innern erläßt im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers die zur Ausführung des Artikels 1 erforderlichen Vorschriften.“[10]

Die definitive Gestaltung des Hoheitszeichens des Reichs erfolgte jedoch erst mit einer Verordnung über die Gestaltung des Hoheitszeichens des Reichs vom 7. März 1936. Dort wurde erstmals festgelegt, dass der Kopf des Reichsadlers nach rechtsheraldisch gesehen aus der Blickrichtung des Wappentieres betrachtet – gewendet ist, der Parteiadler jedoch nach links zu blicken hatte.

Es gibt mehrere Theorien zu dem von Hitler selbst entworfenen „Parteiadler“. Die wohl populärste und wahrscheinlichste Theorie sagt aus, dass der Parteiadler die „Rückseite“ des Reichsadlers darstellt. Symbolisch würde das im Sinne eines Einparteiensystems, des Führerprinzips und der totalitären Staatsauffassung des NS-Regimes bedeuten, dass es zwei voneinander abhängige „Hälften“ gibt: das Reich und die Partei. Beide vereinigten sich in dem Amt des „Führers“, der sowohl Reichskanzler als auch Parteivorsitzender, ab 1934 auch Reichspräsident und somit Staatsoberhaupt war.

Es wurden z. B. kleine und größere Statuen des Reichsadlers mit ausgebreiteten Schwingen gefertigt, der auf einem Siegerkranz mit eingraviertem Hakenkreuz stand. Noch heute kann man an Gebäuden aus dieser Zeit solche Adler sehen. Lediglich das Hakenkreuz, das ein Symbol der NSDAP und ihrer völkischen und antisemitischen Programmatik war, wurde im Zuge der Entnazifizierung Deutschlands aus dem Kranz herausgemeißelt.

Commons: Reichsadler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Norbert Weyss: Der Doppeladler – Geschichte eines Symbols. In: Adler Heft 3, 1986, S. 78 ff.
  2. a b Weblinks: Diem, Entwicklung des Doppeladlers
  3. Andreas Janek: Wunderbare Wappenwelt. Deutschland und Sachsen-Anhalt. Band 1: Allgemeines zur Heraldik, deutsche Wappen und das Landeswappen von Sachsen-Anhalt. Norderstedt 2020, ISBN 978-3-7504-1876-9, S. 129
  4. Diem, Doppeladler, Abschnitt „Der byzantinische Verwandte“
  5. Franz Gall: Zur Entwicklung des Doppeladlers auf den kaiserlichen Siegeln. In: Adler, Band 8, Heft 16/17, 1970, S. 281 ff.
  6. Siehe dazu den im 16. und 17. Jahrhundert geprägten Schaffhauser Bockstaler. – Johann David Köhler: Im Jahr 1729 wöchentlich herausgegebene Historischer Münz-Belustigung, Band 16, 1744, S. 303/304
  7. E. Kamentseva (Moskauer Staatliches Institut für Geschichte und Archive); N. Soboleva (Russische Akademie der Wissenschaften, Institut für Geschichte); zit. nach Vladimir Monakhov: Neue alte Farbe Russlands, oder Rückgabe des Adlers. Hrsg.: ГЕРАЛЬДИКА СЕГОДНЯ. 1. Februar 2003 (geraldika.ru [abgerufen am 17. September 2008] russisch: Новые-старые цвета России, или Как возвращали орла.).
  8. Diem, Doppeladler, Abschnitt „Die Bedeutung für Österreich“
  9. Verordnung über das Hoheitszeichen des Reiches vom 5. November 1935, Verordnung über die Gestaltung des Hoheitszeichens des Reiches vom 7. März 1936. In: Robert Ley (Hrsg.): Organisationsbuch der NSDAP. 7. Auflage. Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München 1943, S. 511 (mit Abb.).
  10. RGBl. 1935 I S. 1287